Einmal Sex und 19 Leichen - in seinem neuen Fall wird der Hamburger Ermittler Nick Tschiller alias Til Schweiger erneut westernmäßig inszeniert. Auch Tochter Luna Schweiger hat einen äußerst delikaten Auftritt.

Hamburg. Zunächst geht es Nick Tschiller (Til Schweiger) richtig gut. Da genießt der hartgesottene Ermittler bei sich Zuhause den Sex – Handschellen inbegriffen – mit der schönen Staatsanwältin Hannah Lennerz (Edita Malovcic). Aber auch nur so lange, bis seine Teenager-Tochter Lenny (Luna Schweiger) ins Schlafzimmer platzt. Bald geht es Tschiller richtig schlecht. Der kurdische Clan der Astans lässt im Auto des Hamburger Hauptkommissars Sprengstoff detonieren, weil der seinen Boss Firat (Erdal Yildiz) und seinen durch Schüsse schwer verletzten Bruder (Sahin Eryilmaz) in den Knast gebracht hat. In akute Gefahr gerät nun auch das Leben von Freundin, Tochter und Ex-Frau des LKA-Manns. Tschiller sieht rot. Ohne vernünftige Absprache mit seinem Kollegen Yalcin Gümer (Fahri Yardim) zieht er alleine los – findet jedoch immer wieder die Unterstützung des Teams.

Die durch den Verlust Firats geschwächte Mafia will wenigstens die Macht im Drogengeschäft übernehmen und hat „Kopfgeld“ auf ihn ausgesetzt – 50.000 Euro für sein herausgeschnittenes Herz. Unter dem Titel inszenierte denn auch der renommierte Christian Alvart („Tatort – Borowski und der stille Gast“) den zweiten „Tatort“-Einsatz von Kinostar Schweiger („Kokowääh“) in der Hansestadt (Sonntag, 9. März, 20.15 Uhr, ARD). Der schnelle, düstere und bluttriefende, gedanklich eher simple Asphalt-Thriller mit der dröhnenden Musik – eine Produktion der Constantin Television im Auftrag des NDR – schließt an Tschillers Einstiegsfall „Willkommen in Hamburg“ (Regie: Alvart) vom März 2013 an. Den hatten damals sensationelle 12,7 Millionen Menschen verfolgt (33,5 Prozent Marktanteil). Jetzt fordert fast westernmäßig ein einsamer Held die Unterwelt heraus.

Leichenrekord für Schweiger

Bereits im Vorfeld hatte die Fanseite „tatort-fundus.de“ gemeldet, dass es sich mit 19 Toten diesmal um den Leichenrekord in der 43-jährigen Geschichte der Serie handle. Schweiger nannte den Film bei einer Kinopräsentation am vergangenen Mittwoch in Hamburg „eine Sensation“. Das Buch schrieb wieder Christoph Darnstädt, für furiose Kameraführung sorgte Jakub Bejnarowicz. Entstanden ist eine „Tatort“-Folge, die wohl vor allem Hardcore-Thriller- und Schweiger-Fans begeistern dürfte. Denn echte inhaltliche, psychologisch begründete Spannung kommt kaum auf. Dafür dominieren klischeehafte Racheszenarien und Provokationen, Explosionen und Schießereien, düstere Visagen mit Migrationshintergrund und derbe Sprüche das Geschehen zwischen Kiez und Hafen.

„Um dein Leben zu betteln, ist zwecklos – denn: Du bist schon tot“ – Dialogzeilen wie diese stehen für den Stil der Produktion und könnten beliebig fast jeder Person in den Mund, oder filmgerechter: in die Fresse, gelegt werden. Bei seiner Jagd auf den Clan nutzt der Hauptkommissar die Hilfe des verbitterten LKA-Drogenspezialisten Enno Kromer (Ralph Herforth). Denn standen 2013 Menschenhandel und Zwangsprostitution auf dem Plan, so ist es 2014 der gnadenlose Großhandel mit der Droge Crystal Meth. Ein Showdown im Hamburger Hafen ist da eine der Szenen, die der geübte Zuschauer sich bereits im Voraus denken kann. Da jedoch das Ende einigermaßen offen bleibt, beginnen im September die Dreharbeiten für die abschließenden Doppelfolgen drei und vier – mit demselben Team, wie NDR-Redakteur Christian Granderath bei der Vorstellung in Hamburg erklärte.

Es darf gespannt sein, ob Schweiger mit „Kopfgeld“ seine selbst gesetzte Top-Quote überbietet. Leise Zweifel sind angebracht, wie eine aktuelle Umfrage unter „Tatort“-Fans vermuten lässt. Immerhin 40 Prozent der im Auftrag der Programmzeitschrift „Auf einen Blick“ befragten Zuschauer beklagen bei dem beliebten ARD-Krimi eine Anhäufung von Gewalt. Und gar 42 Prozent ärgern sich über unrealistische Handlungen - aber entscheiden Sie selbst...

„Tatort: Kopfgeld“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD