RTL-Format „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ pendelt sich über der Sieben-Millionen-Marke ein. ARD-Krimi bleibt aber unschlagbar: Fast zehn Millionen Zuschauer schalteten den Bodensee-“Tatort: Todesspiel“ ein.

Hamburg. Das Dschungelcamp bleibt in der Erfolgsspur: Das RTL-Ekelformat „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ zog auch am Sonntag wieder mehr als sieben Millionen Zuschauer in seinen Bann. Für den Tagessieg reichte das nicht ganz, denn auch der „Tatort“ war gewohnt quotenträchtig.

Mit 9,95 Millionen Zuschauern (26,4 Prozent Marktanteil) verpasste der ARD-Krimi vom Bodensee zwar knapp den Sprung über die Zehn-Millionen-Hürde, dennoch holte das Ermittlerduo Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) mit der Bodensee-Episode „Todesspiel“ die Top-Quote.

Welches Spielchen Larissa Marolt im australischen RTL-Dschungel spielt, dürfte die meisten Zuschauer indes vor weitere Rätsel stellen. Möglicherweise schalteten sich auch wegen des verstörend enervierenden Topmodels erneut derart viele TV-Gucker der zum Kult erhobenen Sozialstudie des Kölner Privatsenders zu.

Über die Bewertung des Dschungelcamps herrscht nach wie vor herrscht Uneinigkeit: Die Show ist entweder der mediale Untergang des Abendlandes, menschenverachtend und ekelhaft. Oder große Fernsehunterhaltung, gar eine moralische Instanz, die den Zuschauern den Spiegel vorhält. Wo die Wahrheit auch immer liegen mag, eines ist unbestritten: Das Dschungelcamp ist ein Erfolg. Schon den fast drei Stunden langen Auftakt zur achten Staffel verfolgten am Freitag 7,66 Millionen Menschen, die erste reguläre Folge am Sonnabend konnte sogar 7,83 Millionen Camper vor dem Fernseher fesseln.

Überreste von Castingshows

Die Rezeptur für den sozialen Schnellkochtopf beherrscht RTL mittlerweile nahezu perfekt. Zumindest einige der Camp-Kandidaten müssen bekannt genug sein, um Neugier zu wecken. In diesem Jahr sind das Schlagersänger Michael Wendler, „Tatort“-Star Winfried Glatzeder und Mola Adebisi, das ehemalige Aushängeschild des Musiksenders Viva. Dazu kommen einige mehr oder minder erfolgreiche Existenzen: Tanja Schumann, Corinna Drews und Jochen Bendel waren einmal präsente Fernsehgesichter. 2014 jedoch finden sie kaum noch statt. Wichtig sind aber auch die Stars, die eigentlich keine sind: Überreste von Castingshows wie Larissa Marolt, Gabriella De Almeida Rinne, Melanie Müller und Marco Angelini, TV-Eintagsfliegen auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Und schließlich ist da noch der Wer-zum-Geier-Kandidat, den niemand kennt: Diese Rolle übernimmt Julian F. M. Stoeckel, angeblich Mode- und Schmuckdesigner.

Doch nicht nur die Prominenz (oder deren Abwesenheit) sind für den Sender wichtig. Die Charaktere, die hinter den Namen stecken, zählen noch mehr. Eine explosive Mischung sollte es sein, die den Zuschauer dazu bringt, dranzubleiben, Sympathien und Antipathien mit dem Griff zum Telefon kundzutun. Und in der achten Staffel hat RTL in dieser Hinsicht den Jackpot geknackt: Wendler, in seinem von keinerlei Selbstzweifeln verstellten Glauben an sich selbst ist schon keine sonderlich angenehme Figur. Doch neben Marolt wirkt der Mann, dessen größter Hit laut eigener Aussage der „Schnuffelhase-Klingelton“ ist, nahezu nett.

Marolt schießt den Vogel ab

Marolt, das 21-jährige Model aus Österreich, das in seiner Heimat die „Topmodel“-Show gewann, im Original mit Heidi Klum hingegen durchfiel, schießt den Vogel ab. In nur knapp vier Stunden hat sie es geschafft, nicht nur nahezu alle Camp-Mitinsassen gegen sich aufzubringen. Auch die Zuschauer votieren zuverlässig so, dass die Blondine sicherlich nicht zum letzten Mal eine der bewährt ekelhaften Dschungelprüfungen mit Krabbeltieren, Schleim und anderen Grenzerfahrungen ablegen muss. Die Mischung aus völliger Ahnungslosigkeit, was diese Show ausmacht, ihrer Sozialtrampeligkeit sowie ernsthaften Divergenzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung ist für RTL ein Geschenk.

Wenn Marolt unter anderem überrascht darüber ist, nicht in ein Studio oder eine sterile Kulisse, sondern in einen echten Dschungel verfrachtet zu werden, sie Aufgaben des Camplebens und die der Prüfungen eher schlecht als recht erledigt und den anderen Kandidaten mit einer Mischung aus Anfeindung und dem unbedingten Wunsch nach Anerkennung für noch die kleinsten Dinge auftritt, muss man einfach hinschauen, Fremdscham hin oder her. Glatzeder, der mehr als dreimal so alte Campsenior, gefällt sich derweil in der Rolle des süffisanten Anheizers. Keinen Fettnapf, in den Marolt zuverlässig fällt, lässt er unkommentiert. Und sammelt mit diesem Verhalten trotzdem geschickt Sympathiepunkte; Marolt ist ein zu verlockendes Ziel. Ebenso kalkuliert tritt der Mann auf, der sich den Namen „Der Wendler“ vor Gericht erstritten hat. Er geriert sich abwechselnd als Alphamännchen und als Opfer seines übelwollenden Umfelds, in dem ihm nur „meine Freunde, meine Fans“ Stütze sind.

Hinter diesen schillernden Charakteren verschwinden viele der anderen Camper nahezu vollständig. Von der Exfrau von Jürgen Drews hat man bisher nicht mehr als eine Handvoll Sätze gehört, „Erotikmodel“ Müller versucht sich als organisierende Campmutter. Die geschickteste Strategie auf dem Weg zur Dschungelkrone scheint zur Zeit jedoch Jochen Bendel zu fahren. Er fällt mit lustigen, aber nicht beleidigenden Spitzen gegen Wendler und Marolt auf. Im nächsten Moment steht er der wieder einmal der von einem Weinkrampf geschüttelten Marolt zur Seite. Außerdem kann er kochen.

Und wenn dann in einigen Tagen auch die letzten professionellen Hüllen in der schwülen Dschungelatmosphäre verdampft sind, sind es weder der missgünstige Voyeurismus, noch die Show gewordene Sozialstudie, die das Dschungelcamp so erfolgreich machen. Es bedient vielmehr den Wunsch nach echten Gefühlen – auf beiden Seiten des Bildschirms.