Sender und Moderator verabschieden sich von einer Sendung mit Substanz: Die Gäste sind Dekomaterial, wichtiger ist die Publikumsbespaßung.

Hamburg. So etwas gefällt Markus Lanz. Schauspielerin Jutta Speidel ist vor Jahren in Rom in einen Dreh von Tom Hanks hineingeraten. Nun hockt sie wie ein aufgeregter Teenie neben dem Hollywoodstar auf dem Wetten dass...?-Sofa und buchstabiert die Zufallsbegegnung mit wilden Armbewegungen nach. Hanks, ein Virtuose der Gelassenheit, der sicherheitshalber die Augen immer nur zur Hälfte öffnet, lächelt selbst dann noch, als auch nach drei Minuten keine Pointe in Sicht ist. Oder Robbie Williams und Barbara Schöneberger. Vor Monaten fiel er bei der Verleihung des Deutschen Radiopreises in Hamburg vor ihr auf die Knie und küsste den kugelrunden Babybauch. Bei der „Wetten dass...?“-Ausgabe aus Bremen am vergangenen Sonnabend darf sich Schöneberger mit einem Klaps auf den Sängerpo revanchieren. Lanz ist ein Meister der Gäste-Zusammenführung. Ein Spürhund des kleinsten gemeinsamen Nenners einer Handvoll Menschen. Er ist ein Gastgeber, der nicht zulässt, dass irgendjemand still in der Ecke hockt und sich aus dem allgemeinen Partytoben ausklingt. Sehr schön konnte man diesen, nun ja: Zwang, vor ein paar Wochen in der Anarcho-Talkshow „Roche & Böhmermann“ beobachten, deren Prinzip die Dekonstruktion jeglicher Talkshow-Gesetze ist, zuvorderst der Diskussion in großer Runde, zu der jeder etwas Sinnvolles beizutragen hat. Selbst hier konnte Lanz nicht aus seiner Haut. Fragte nach links und rechts Meinungen ab, bis Charlotte Roche es ihm quasi verbot.

So gesehen ist dieser Mann tatsächlich der ideale „Wetten dass...?“-Moderator. Kaum eine Show im deutschen Fernsehen, in der die Gesprächsinhalte eine so geringe Rolle spielen wie hier. Ziel ist die Publikumsbespaßung, das Schenkelklopfen des Zuschauers. Solange Tom Hanks bereit ist, sich eine Schafsmaske überzustülpen, interessiert sein neuer Film „Cloud Atlas“ (Lanz: „Du spielst sechs Rollen, hast du auch sechsmal Gage bekommen?“) herzlich wenig. Und das neue Robbie-Williams-Album? Ach so, ja, wie immer halt. Viel spannender: Wie war die Geburt der Tochter? „Wie die erste halbe Stunde von ‚Der Soldat James Ryan’. Oder wie deine Lieblingskneipe, wenn sie niedergebrannt wird“, sagt Williams. Als Dank für dieses leicht unappetitliche Pointenfeuerwerk darf der Sänger die dreistündige Show vorzeitig verlassen. Halle Berry, die zuvor genötigt wurde zu bekennen, ob ihr der Geruch rohen Fleischs gefällt, guckt neidvoll hinterher. Dafür rückt ihr nun Atze Schröder, Co-Gastgeber und einmaliger Ersatz für die füllige Cindy aus Mahrzahn, auf die Pelle. Im rosafarbenen Jogginganzug und mit Schwabbelbäuchlein.

Die zweite „Wetten dass...?“-Ausgabe, die mehr als zehn Millionen Menschen einschalteten, war auch deshalb gelungener als die Premiere, weil sich Moderator und Sender scheinbar endgültig davon verabschiedet haben, eine Show mit Substanz zu präsentieren. Wer auf dem Sofa Platz nimmt, ist lebendes Dekomaterial, ob er nun aus Hollywood eingeflogen kommt oder aus Wanne-Eickel herkutschiert wurde. Zielscheibe für Fremdschämattacken („Halle Berry, auf welche Musik reagieren Sie besonders sensitiv?“) und stets in Gefahr, das Wort in der Mitte des Satzes abgeschnitten zu bekommen, wenn gerade die Männer von der Außenwette ins Studio poltern. Im Zweifel pro Sackhüpfen. Hat ja auch etwas Befreiendes, diese Haltung. Und der Sendungskern, die Wetten nämlich, waren - lässt man jene, Nagellacksorten am Glitzergrad zu erkennen einmal außen vor – unmittelbarer und spannender als zuvor. Der spätere Wettkönig zog mit einem kunstvoll geworfenen Jojo die Tischdecken unter Geschirr weg, was immer nur haarscharf gelang. Drei Minuten, in denen kaum geredet, nur applaudiert wurde. Ein schöner, seltener Moment. Markus Lanz musste sich wahrscheinlich sehr zusammenreißen.