Das Erste habe nicht vor, die quotenschwache Sendung abzusetzen. Thomas Gottschalk soll weiter Raum zur Entwicklung bekommen.
Hamburg. Die ARD will die Sendung "Gottschalk Live" trotz lauer Quoten nicht beenden. Der Senderverbund dementierte am Donnerstag einen Bericht, wonach die Intendanten mit Mehrheit beschlossen hätten, von dem vertraglich vorgesehenen Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. ARD-Sprecher Stefan Wirtz sagte, die Intendanten hätten am Montag in ihrer Schaltkonferenz "ausdrücklich keine Entscheidung getroffen, die Sendung 'Gottschalk Live' zu beenden". Er fügte hinzu: "Die Runde hat sich vielmehr dafür ausgesprochen, der Sendung Raum zur Weiterentwicklung zu geben." Die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel betonte: "Es wäre ja auch unsinnig, zeitgleich mit dem Relaunch der Sendung 'Gottschalk Live' deren vorzeitiges Ende zu beschließen.“
Wählt "Das Erste" den Notausstieg bei Gottschalk?
Wunder sind auch im Fernsehen eher selten. Doch am frühen Montagabend wurden die Zuschauer des Ersten Zeugen eines Mirakels - zumindest eines kleinen. Der Vorabend-Talk "Gottschalk live!", der bisher aufgrund der mangelhaften Vorbereitung seines Moderators und einer nicht einmal in Ansätzen erkennbaren Dramaturgie völlig zu Recht ganz tief im Quotenkeller ist, schien sich über Nacht in eine andere Sendung verwandelt zu haben. Thomas Gottschalk war bestens auf seine Gäste Jan Hofer und Oliver Pocher vorbereitet worden. Die Show, die nun mit Publikum und in neuer Kulisse daherkam, hatte erstmals so etwas wie eine Struktur. Der Marktanteil verbesserte sich auf 5,2 Prozent.
Aber dieses Wunder, das von reichlich Kritikerlob - "Besser denn je" ("FAZ"), "Die größte Überraschung ist der Moderator" ("Welt") - begleitet wurde, dürfte wohl kaum reichen, um die Sendung zu retten: Wenige Stunden bevor Gottschalk vor die Kameras trat, hatten sich die ARD-Intendanten zu einer Konferenz zusammengeschaltet. Dabei war auch über den Problem-Talk des blond gelockten Moderators gesprochen worden. Es habe, heißt es in ARD-Kreisen, sich eine Mehrheit der Senderchefs dafür ausgesprochen, im Fall von "Gottschalk live!" von einer Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen.
+++ Info: Die Gebührenfrage +++
Dieses Sonderkündigungsrecht besagt, dass die ARD sich von der Produktion von "Gottschalk live!" mit Beginn der Sommerpause im Juni zurückziehen kann, wenn die Show bis zum Stichtag 20. April nicht auf einen durchschnittlichen Marktanteil von zehn Prozent kommt. Dieser Wert bezieht sich auf alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgestrahlten Sendungen. Da "Gottschalk live!" bisher aber in der Regel nur auf einen Marktanteil von drei bis fünf Prozent kam, müssten die Ausgaben des Talks, die bis zum 20. April gezeigt werden, schon Werte von etwa 20 Prozent erreichen, soll das Format noch eine Zukunft haben. Das aber ist völlig unrealistisch. Und so große Wunder gibt es selbst im Fernsehen nicht.
+++ Thomas Gottschalks Studio ist eine Woche Baustelle +++
Bei dem Votum der Intendanten handelt es sich um ein Stimmungsbild und nicht um einen formellen Beschluss. Die Produktionsfirma von "Gottschalk live!", Grundy Light Entertainment, wurde über das Ergebnis der Schaltkonferenz offenbar nicht informiert. Zudem legt eine ARD-Sprecherin wert auf die Feststellung, dass es eine offizielle Entscheidung zum Thema Vorabend-Talk nicht gebe. Die Intendanten hätten gar bekräftigt, "der Weiterentwicklung des Formats eine Chance zu geben".
Dieser Bewertung des Diskussionsergebnisses widersprechen Teilnehmer der Schaltkonferenz. Die Mehrheit der Intendanten, die sich für einen vorzeitigen Ausstieg aus "Gottschalk live!" ausgesprochen hätten, sei überwältigend gewesen, heißt es. Außer der WDR-Intendantin Monika Piel habe sich eigentlich niemand vorbehaltlos vor die Sendung gestellt. Piel, die auch ARD-Vorsitzende ist, habe sich allerdings leidenschaftlich dafür ausgesprochen, dem neuen Konzept von "Gottschalk live!" eine Chance zu geben.
+++ Kommentar: Die ARD hat eine Führungskrise +++
Neben den schlechten Quoten sollen die Befürworter eines raschen Ausstiegs auf die unzureichende Qualität der Sendung verwiesen haben. In der Diskussion der Intendanten spielte zudem die "Tagesschau" eine Rolle. Deren Quoten hätten sich aufgrund der schwachen Vorgaben von "Gottschalk live!" verschlechtert. Es sei für die ARD aber nicht hinzunehmen, dass ihr Flaggschiff von den miserablen Marktanteilen des Vorabend-Talks in Mitleidenschaft gezogen wird. Um dies zu verhindern, wurde - wie berichtet - eine Zeit lang erwogen, den Sendeplatz der Show zu verschieben. Im Gespräch war, den Beginn von "Gottschalk live!" auf 17.50 Uhr zu verlegen. Der Vorabend-Talk wäre dann unmittelbar nach "Brisant" gelaufen. Möglicherweise hätte sich so auch ein anderes Problem lösen lassen: Die Schwierigkeiten des ARD-Vorabends beginnen unmittelbar nach Ende des Boulevardmagazins. Wenn "Brisant" zu Ende ist, schalten die Zuschauer in Scharen um. Doch die Option einer neuen Anfangszeit von "Gottschalk live!" hat die ARD nun verworfen.
Im Umfeld von Produktionsgesellschaft und Redaktion der Show gibt man sich kämpferisch. Noch am Montagabend hätten WDR-Intendantin Piel und WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff Gottschalks Mannschaft telefonisch zum neuen Konzept gratuliert. Beide Damen hätten zudem Redaktion und Moderator in Aussicht gestellt, dass die Show eine Zukunft habe, sollten sich die Quoten positiv entwickeln. Außer am Montag war auch am Dienstag ein Aufwärtstrend zu erkennen. Der Marktanteil lag zwar nur bei 4,6 Prozent. Dennoch war es der stärkste Dienstag von "Gottschalk live!" seit Langem. Es sei unverständlich, zu einem Zeitpunkt, heißt es im Umfeld der Show, von der Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen, da die Bemühungen des neuen Redaktionsleiters Markus Peichl erste Früchte tragen würden.
Mit einem Ende des Talks wären die Probleme des Vorabendprogramms der ARD auch nicht gelöst. Nicht nur "Gottschalk live!" auch die Schmunzel-Krimireihe "Heiter bis tödlich" schwächelt gewaltig. Auf die ARD-Intendanten kommt noch viel Arbeit zu.
Mit Material von dapd