Sie sind Erfolgsbarometer und Gradmesser für den Verkauf von Werbezeiten im TV: die Quoten. Ihre Berechnung soll bis 2014 umgestellt werden.

Berlin. Die Einschaltquoten von Fernsehsendungen sollen bald auch am PC gemessen werden. "Für 2013 sollen erstmalig auch da Zahlen ausgewiesen werden“, sagte der Sprecher der Technischen Kommission der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), Matthias Wagner. Neu erfasst werden soll, wie viele Menschen online die Angebote der Fernsehsender ansehen und wie lange sie dranbleiben – sowohl beim Live-Stream als auch in Mediatheken. Die AGF sei derzeit mit Dienstleistern im Gespräch, sagte Wagner. Eine Entscheidung wird bis Sommer erwartet.

In der AGF sind ARD, ZDF, die Mediengruppe RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 Media AG zusammengeschlossen. Sie nennt die Quotenmessung die "TV-Währung" , weil sie die Grundlage für die Programmplanung und Vermarktung bzw. den Verkauf von Werbezeiten ist.

Seit 1988 hat die AGF die GfK Fernsehforschung in Nürnberg damit beauftragt, die Quoten zu ermitteln . Wenn ein Zuschauer in repräsentativ ausgewählten 5.100 Haushalten sein TV-Gerät einschaltet, werden die Daten mit der Fernbedienung und dem Messgerät am Fernseher sekundengenau erfasst und in der folgenden Nacht von der GfK per Telefon/Modem abgerufen.

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In diesem Mess-System entstehen durch die weiterentwickelte TV-Technologie nun aber Lücken. Die letzte Erneuerung bei der Quotenmessung wurde 2009 eingeführt. Das neue Messgerät "TC score“ erfasst auch die Zuschauer, die zeitversetzt oder außer Haus über digitale Aufzeichnung auf Festplatten- und DVD-Recorder eine Sendung abrufen. Durch ein weiteres neues Messmodul ("UMX“) werden ab dem 1. Juli 2012 auch erstmals Haushalte mit IPTV-Anschluss messbar sein, sagte Wagner.

Zuschauerschaft im Internet wächst

2011 haben laut ARD/ZDF-Onlinestudie rund 19 Millionen Menschen zumindest gelegentlich Fernsehinhalte im Internet geschaut, vier Millionen mehr als 2010. Online-Quoten werden bereits gemessen. "Wir wissen durch unsere eigenen Server, wie viele eine Sendung abrufen", sagte Wagner. Die Fernsehsender müssten nun aber gewährleisten, dass systematisch nach einem einheitlichen Standard gemessen werden kann.

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Dafür soll ein gesondertes, deutlich größeres Panel (neben dem bisherigen Panel mit 5.100 Zuschauern) geschaffen werden. Bei den ausgewählten Zuschauern würde ein Mess-Pixel ins Empfangsgerät eingebaut. In der nächsten Ausbaustufe soll bei der Erfassung des TV-Konsums außerdem nach Alter und Geschlecht differenziert werden. "Bis Ende 2014 sollte das System in voller Ausbaustufe stehen", sagte Wagner. Geplant ist die Zusammenführung beider Panels.

Ab 2015 stünde dann die Einbeziehung mobiler Empfangsgeräte in die Quotenmessung an. "Wir wissen noch überhaupt nicht, was für ein Forschungsbudget vonnöten wäre“, so Wagner.

Abschied in Raten von der Werbezielgruppe der 14- bis 49-Jährigen

Die angeblich werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen ist ein "Tanker, der sich schwer wenden lässt", so Wagner. Die Einsicht, dass diese Zielgruppe überholt ist, hat sich in der Werbebranche längst durchgesetzt, bestätigt auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Aber die Privatsender werben unverdrossen weiter mit ihren Zuschauern unter 50. Die ursprüngliche Absicht, damit Werbekunden zu locken, geht inzwischen oft am Ziel vorbei. Die Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer sei "Schnee von gestern" und "völlig überholt", sagte ZAW-Sprecher Volker Nickel.

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Anfang der 90er Jahre hatte der damalige RTL-Chef Helmut Thoma die Zielgruppe 14 bis 49 erfunden. "Die Grenzziehung war reine Willkür", gab er in einem “Spiegel"-Interview zu. "Wir haben der Werbewirtschaft suggeriert: Ihr müsst an die Jungen ran, die 'Erstverwender'; deshalb braucht ihr auch keine alten Zuschauer, denn die sind markentreu." Thoma forderte damals bereits, die Werbewirtschaft und natürlich die Sender müssten angesichts des demografischen Wandels umdenken.

"Herr Thoma hat schon recht", sagte ZAW-Sprecher Nickel. Warum diese Zielgruppe dann nicht abschaffen? Sie sei noch ein "Abrechnungssystem" von Bedeutung, so Nickel. Es sei die Währung, mit der man sich vergleichen kann. Die Medien und die Werbebranche bräuchten eine einheitliche Grundlage für die Berechnung, was ein Werbespot kosten kann.

14 bis 49 für Produktwerbung irrelevante Zielgruppe

Überraschend erklärt die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM), in der über 100 Unternehmen zusammengeschlossen sind, die Gruppe der 14- bis 49-Jährigen als gar nicht "werberelevant". Die OWM erklärt: "Bei dieser Zielgruppe hat es sich noch nie um eine Planungsgruppe im engeren Sinn gehandelt, die für jedes beworbene Produkt anders aussieht." Wichtig sei den Werbetreibenden an dieser Stelle allerdings, dass mit einer einheitlichen Referenzzielgruppe im Markt gearbeitet werde und nicht jeder Sender seine eigene Zielgruppendefinition verwende.

RTL würde nach Angaben Wagners gerne als neue Zielgruppe die 20- bis 59-Jährigen festlegen. Unter den Sendern herrscht darüber aber noch keine Einigkeit. Das gilt auch für die Werbebranche. Der ZAW-Sprecher sagte: "Es gibt heftige Debatten."

Das Werbevermarktungsunternehmen IP Deutschland hebt hervor, die Referenzzielgruppe 20 bis 59 sei heute schon demografische Realität. Das heißt auch, Frauen und Männer dieser Generationen konsumieren am meisten. “Fakt ist, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er Jahren 2018 aus der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen herausgewachsen sind und der Pillenknick voll zum Tragen kommt." Die Vermarkter fügen hinzu, es kämen leider nicht so sehr viele jüngere Konsumenten nach.

Aber die 50- bis 59-Jährigen von heute seien mit denen vor 25 Jahren nicht mehr vergleichbar", so IP Deutschland. "Sie sind fitter und wohlhabender und sehen sich selbst in der besten Phase ihres Lebens."Damit seien sie eine lukrative Zielgruppe der Werbung. Im Fernsehen geht es dabei um Milliardeneinnahmen.