Der Chefstyler bringt die auf der Trabrennbahn aufgezeichnete Live-DVD “Hamburg brennt“ heraus und erzählt im Interview von seinen neuen Plänen.

Hamburg. "Lauter Sound und bunte Lichter" ließen im vergangenen August 15.000 Hamburger auf der Bahrenfelder Trabrennbahn von innen glitzern. Jan Delay und seine Band Disko No.1 feierten damals mit zahlreichen Stargästen wie Deichkind, Samy Deluxe oder Scooter ihren Abschied. Vom Soul, der die beiden Nummer-eins-Alben "Mercedes Dance" (2006) und "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" (2009) prägte und Delay zu einem der populärsten deutschen Pop-Entertainer machte.

Und wie man auf der neuen, äußerst sehens- und hörenswerten Live-DVD "Hamburg brennt" nacherleben kann, hörte die Truppe auf, als es am schönsten war. Aber jedem Ende wohnt ein Anfang inne, wie ein tiefenentspannter Jan Delay, 35, beim Gespräch im Kiez-Büro von Buback Tonträger erzählt. Disko No.1 bleibt weiterhin seine Band, nur mit mehr Gitarren.

Hamburger Abendblatt: Als der "Rolling Stone" vor einigen Jahren ein Buch mit den "500 besten Alben aller Zeiten" zusammenstellte, waren nur 18 Livealben darunter, zum Beispiel James Browns "Live At The Apollo", "At Folsom Prison" von Johnny Cash ...

Jan Delay: "Stop Making Sense" von den Talking Heads, Bob Marleys "Live!" ...

Bob Marleys "Live!" war nicht dabei, aber "Legend", eine Best-of-Sammlung.

Delay: Was? Die haben doch keine Ahnung.

Werden Livealben im Vergleich mit Studioalben generell unterschätzt?

Delay: Nein. Aber es sind immer nur Ausnahmen, die eine Regel bestätigen, so auch bei mir: Ich bin ein Perfektionist, der gern im Studio bis zur letzten Minute experimentiert, daher würde ich ein Studioalbum immer einem Livealbum vorziehen. Weil es einfach besser klingt.

Und welchen Wert haben Livealben und -DVDs noch, wenn bei Konzerten Hunderte Handys mitfilmen und wenige Stunden später Internetportale wie YouTube überschwemmen?

Delay: Schau dir doch eins dieser Handyvideos an, dann hast du die Antwort.

Schrott. Aber in High Definition. Und die Technik wird besser.

Delay: Trotzdem kommen sie nicht an unsere DVD ran. Abgesehen davon wird ein gefilmtes Konzert nie mit dem Flash vergleichbar sein, den man bekommt, wenn man in der ersten Reihe steht und mit 15 000 Leuten feiert. Das Gefühl kannst du nicht filmen, selbst wenn du Elvis als Hologramm zu neuem Leben erweckst. Und du kannst es nicht downloaden.

Trotzdem werden die Handys schon reflexartig gezückt. Zu Tausenden.

Delay: Ja, weil wir in einer Zeit von medialem Alzheimer leben. Beim Konzert, beim Fußball, im Alltag. Früher hatten wir keine Kameras dabei und konnten uns trotzdem an alles erinnern. Das Kino war im Kopf. Schade, dass das verloren geht.

Unser Gedächtnis ist digital. Und das oft nicht mal legal.

Delay: Zum Thema Urheberrecht und Raubkopien nur so viel: Wenn das Internet explodiert, dann hast du wahrscheinlich Besseres zu tun, als Musik zu hören. Aber du könntest dich zurücklehnen, "Searching For The Young Soul Rebels" von Dexys Midnight Runners auf Vinyl oder CD auflegen und dich kaputtlachen über die ganzen Clouds und Torrents voller Musik, die sich im Nichts auflösen.

Auf "Hamburg brennt" sind auch diverse Gäste zu sehen, etablierte Größen wie Deichkind und Durchstarter der letzten Jahre Marke Marteria. Sie haben, wie auch Jan Delay, klein angefangen. Wie leicht oder schwer haben es Newcomer eigentlich heutzutage?

Delay: Viel einfacher. Als ich 1991 angefangen habe, hat schon ein Sampler unfassbares Geld gekostet, obwohl er weniger Speicher besaß als mein erstes Handy. Heute ist es deutlich leichter, an bezahlbares Equipment zu kommen, Kontakte zu knüpfen und Leute auch zu Untergrund-Konzerten zu ziehen - genug Talent vorausgesetzt natürlich, daran hat sich nichts geändert.

Für erste Konzerte braucht man aber auch Bühnen. Die Sternbrückenklubs auf dem Cover von "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" oder auch Logo und Molotow werden nicht mehr lange in der jetzigen Form existieren.

Delay: Aber hoffentlich woanders. So wie der Mojo Club, der in die Tanzenden Türme zieht, oder das neue Metropolis-Kino. Die stehen doch für Hamburg, da muss man sich weiterhin für einsetzen und glaubwürdige Lösungen finden.

Ist staatlich geförderte Popmusik denn glaubwürdig?

Delay: Nein. Das darf nicht sein. Aber es ist glaubwürdig und wichtig, die Strukturen und Rahmenbedingungen von Subkulturen wie der Klubszene zu fördern. Sprich: nicht Bands direkt unterstützen, sondern ihre Freiräume - Bühnen, Proberäume, Ateliers.

Für mehr Zukunftsmusik. Wie klingt denn Jan Delay demnächst, nach Reggae, Soul und Funk soll ja jetzt Rock dran sein?

Delay: Richtig. Disko No.1 und ich machen jetzt Adult Oriented Rock zwischen Bryan Adams und Toto.

Bitte?

Delay: Na, ja. Nicht ganz. Aber es wird Rock, zu dem Frauen tanzen wollen und Kinder ihre Ikea-Regale zertrümmern. Mein Marketingspruch wäre: Von Lenny bis Lemmy, von Iggy bis Ziggy. Deshalb haben wir uns mit Gitarrist Olli Wong von den Gods Of Blitz aus Berlin verstärkt. So'n richtiges Rockschwein. Parallel style ich noch an neuen Tracks für die Beginner.

In den 60er-Jahren war Hamburgs Sound Rock 'n' Roll und Star-Club-Beat, in den 90er-Jahren kamen die Hamburger Schule und Hamburger Hip-Hop. Welcher Begriff wird die kommenden Jahre prägen?

Delay: Hamburg.

Jan Delay: "Hamburg brennt" (Vertigo Berlin/Universal), DVD im Handel; www.jan-delay.de