Wenn Jan Delay und seine Disko-No.1-Band auf der Trabrennbahn auftreten, möchte er noch einmal ein Konzert mit vielen Weggefährten geben
Sommer 1999. Absolute Beginner singt ihr "Liebeslied" und Hamburg rappt mit: "Hast du im Leben nix in petto/ist alles Ghetto/das heißt Glück brutto und Frust netto/und im Gesicht 'n Tränentattoo/ey, dann wird's Zeit für Musik." Die Chiffre für Coolness heißt Flash. Wer eine der 5000 Karten für die gleichnamige Hip-Hop-Jam im Stadtpark besitzt, gehört zu denen, die wissen, was abgeht, sind sie doch die Gradmesser für Style. Absolute Beginner und Fettes Brot, Dynamite Deluxe und Eins, Zwo sind die neuen Helden der Stadt.
Hip-Hop steht für ein neues Lebensgefühl, und Hamburg ist genauso cool wie seine Reimekünstler. "Nordisch By Nature" ist die Hymne dieser Generation, T-Shirts vom Eimsbush-Label und der Mongoklikke sind der Renner. Platten werden als Vinylscheiben gekauft und wie Schätze behandelt. Doch die Hip-Hop-Seligkeit vergeht genauso schnell wie der "Summer Of Love", den die Hippies 1967 in Kalifornien feierten.
Im Jahr der Jahrtausendwende wird das Flash-Festival ins Millerntorstadion verlegt. Was im Untergrund angefangen hat und Musik für eingeweihte Cliquen ist, wird mit Rasanz zum Massenphänomen. Hip-Hop ist plötzlich zum lukrativen Geschäft geworden. Kleine Labels wie Yo Mama werden von den großen Entertainment-Riesen aufgekauft, in den Augen der A&R-Manager rotierten die Euro so schnell wie in Daddelautomaten. Wer ein Mikro halten kann und ein paar Minimalreime schafft, bekommt unter Garantie einen Plattenvertrag. "Hey, Leude, wohin wollt ihr hin mit dem Mikro in der Hand?", fragte Beginner-Rapper Jan Eißfeldt alias Jan Delay damals.
Schon bald ist es vorbei mit den intelligenten Texten, witzigen Anspielungen und verschachtelten Wortspielen. Plötzlich ist Berlin am Start. Mit Hip-Hoppern, die auf gewaltig dicke Hose machen und doch nur Gangsta-Rapper aus den USA imitieren. Plötzlich ist alles Ghetto und "Bling Bling"-Goldkette, sexistische und gewalttätige Texte sind die neuen Vehikel, um Platten zu verkaufen.
Auch Hamburgs Vorzeigekünstler reagierten auf den Ausverkauf und setzen sich vom Aggro-Sound ab. Jan Delay probiert Reggae und Funk und steht nun mit einer großen Band statt eines DJs auf der Bühne. Die Shows von Fettes Brot entwickeln sich in eine ähnliche Richtung, auch diese Band ist im Mainstream angekommen. Eins, Zwo löst sich auf, ebenso Dynamite Deluxe, deren Reimartisten Dendemann und Samy Deluxe machten solo weiter; Deichkind mutiert zu einer Electro-Band, holte sich aber Rapper Ferris MC ins Boot; Das Bo, Frontmann von Fünf Sterne Deluxe, ist nur noch als Pausenfüller unterwegs und hat seit Jahren nichts qualitativ Ordentliches mehr gerissen: "'türlich, 'türlich, sicher Digger" ist der Song, den er immer wieder zum Besten geben darf. Hip-Hop in Hamburg ist zum Mythos geworden.
Wenn Jan Delay und seine Disko-No.1-Band am 17. August auf der Trabrennbahn auftreten, möchte er noch einmal ein Konzert mit vielen Weggefährten geben und vielleicht etwas von dem Geist von 1999 beschwören. Dendemann wird im Vorprogramm auf jeden Fall dabei sein, mal sehen, wer sonst noch so von der alten Clique aufläuft. Nach acht Jahren Pause lässt Jan Delay auch sein Hip-Hop-Trio Absolute Beginner mit einem Konzert wieder aufleben. Allerdings in Berlin, was ihm nicht nur Sympathien eingebracht hat. Was hat der bekennende Hamburg-Patriot in dieser Zeitung über die Hauptstadt gesagt: Berlin ist wie Dubai. Genau, deshalb gehören die Beginner nach Hamburg. Denn der Mythos lebt hier. Immer noch.
Jan Delay and special guests Mi 17.8., 19.00, Trabrennbahn; www.jandelay.de