Hamburg. US-amerikanischer Superstar veröffentlicht siebtes Album. Mit Beats und Rythmus zeigt sie, weshalb sie die Königin der Pop-Welt ist.
Als „Break My Soul“ vor einigen Wochen veröffentlicht wurde, durfte man schon mal leicht anschwitzen. Wirklich gute, ja großartige Nummer, überdeutliche 90er-House-Schwingungen. Die maximale Preisung des Tanzflurs, Verherrlichung der Disco, Glückspunkt der Existenz: Abzappeln, damit die Endorphine düsen. Alles muss raus: „Release ya anger, release ya mind (ohh, let’s go, let’s go)/Release ya job, release the time/Release ya trade, release the stress/Release the love, forget the rest.“ Ärger, Job, Stress verpuffen im Lichtgeflacker, und Liebe steigt auf.
Mit der ersten Single war Beyoncés neuer Sound annonciert. „Renaissance“ ist das erste Album mit neuen Solo-Songs seit dem vor reichlich sechs Jahren erschienenen „Lemonade“. Beyoncé Knowles ist, kommerziell gesehen, die Königin der Pop-Welt; in Sachen Ruhm und Ehre übertrifft die Amerikanerin sogar noch Adele. Und so ist „Renaissance“ das vermutlich größte Ereignis der Branche in diesem Jahr. In der 40-jährigen Beyoncé materialisieren sich die Zutaten des Superstardoms: Glamour, Talent, Reichtum, Macht. Ihr Einfluss auf die Popkultur ist immens.
Albumkritik: Beyoncés „Renaissance“ ist Hommage an schwarze Musik
Als Beyoncé 2018 anlässlich des gemeinsam mit ihrem Gatten Jay-Z aufgenommenen Album „Everything Is Love“ einen Videoclip im Louvre drehten, war das ein Triumph afroamerikanischer Kunst. Da posierten zwei Giganten der Gegenwartskultur vor der weißen Vergangenheit schöpferischer Kraft. Mit all seinen Inspirationen aus dem Setzkasten des Pop ist „Renaissance“ eine Hommage an schwarze Musik.
Das neue Album ist Popmusik auf der Höhe der Zeit. Sie erfindet nichts neu, sie veredelt mit den besten Produzenten und Gastkünstlern die Soundströme des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts: Jay-Z, The Dream, Drake singen mit, The Neptunes, Raphael Saadiq und Skrillex saßen an den Reglern. Unter anderen. Es gibt die Songs, deren Groove, siehe „Break My Soul“ und das angefunkte „Virgo’s Groove“, beinah noch entspannt ist. Ein Hit (unter Hits) ist „Cuff It“, bei dem Sheila E. Percussions beisteuern darf und die Disco-Ära aufs Schönste wiederbelebt wird.
Beyoncés gekonnte Rap-Großmäuligkeit
Auf dem Cover sitzt Beyoncé auf dem Rücken eines Pferdes. Dank der Lichteffekte hat dieses eine spacige Anmutung; die kaum bekleidete Sängerin schaut herausfordernd. Wer quasi nichts außer High Heels trägt und dabei derart souverän bleibt, der ist halt tatsächlich die Nummer eins, allem Irdischen enthoben. Ein „Alien Superstar“ (Songtitel). Rap-Großmäuligkeit („I’m too classy for this world, forever, I’m that girl/Feed you diamonds and pearls, ooh, baby/I’m too classy to be touched, I paid them all in dust/I’m stingy with my love, ooh, baby“) steht Beyoncé gut. Wahrscheinlich ist „Renaissance“ das Album in ihrem Oeuvre, in dem sie am meisten mehr spricht als singt. Warum sie das macht? Weil sie es kann.
Von einer Wiedergeburt der Tanzmusik kann keine Rede sein, eigentlich. War sie je tot, verschollen,deklassiert? Andererseits ist es nun eben Beyoncé, die mit diesem Album die vergangenen Jahrzehnte und deren vorherrschenden Stile ehrt. Das ist dann ein paar Nummern größer als Daft Punks Hommage an Funk und Disco von 2013, „Random Access Memories“. Zuletzt hat auch Harry Styles ein überaus fröhliches und lustvolles Album vorgelegt; das sind dann auch immer Gegenmittel und Impfungen hinsichtlich der Probleme, die diese Welt derzeit beschäftigen.
Mehr neue Songs sollen folgen
Das Album, hat Beyoncé kurz vor Veröffentlichung auf Instagram geschrieben, habe ihr erlaubt, sich „frei und abenteuerlustig zu fühlen in einer Zeit, in der sich sonst wenig bewegte“. Nicht nur ihren Millionen ergebenen Fans könnte sie mit Technokram wie „Thique“ das lustvolle Leben trotz pandemischer und kriegerischer Vorgänge zurückbringen.
„Renaissance“ soll, das wurde am Rande der Veröffentlichung am Freitag auch deutlich, lediglich die erste Lieferung eines „Drei-Akte-Projekts“ werden. Scheint also ganz so, als sei die Kreativmaschine in und um Beyoncé im Lockdown heiß gelaufen.
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Dass die neuen Songs bislang ohne Videoclips geblieben sind, ist laut einem Statement zum neuen Album eine bewusste Entscheidung. „Es sei eine Chance, wieder Hörerende zu sein und nicht Betrachtende“, heißt es. Die Musik soll also ganz für sich stehen, mit ihren Rhythmen, die Beyoncé erklärtermaßen „der Gemeinschaft der Freiheitssuchenden“ widmet.