Hamburg. „Jojas Klaviermusik“, das neue Album des Hamburger Pianisten und Entertainers, erzählt sein Leben in 15 Kompositionen.

„Das Klavier ist ein intuitives Instrument. Du drückst und es kommt ein Ton. Du drückst doll, dann ist es laut. Du drückst sanft, dann ist es leise. Das kann jeder in fünf Minuten lernen. Du spielst nur die schwarzen Tasten ... die Melodie klingt so ... nach großer Weite. Und der letzte Ton wird mit der Nase gespielt. Der Eskimokuss.“ Joja Wendt sitzt an seinem Klavier im Studio in Bahrenfeld und spielt das Stück „Eskimo“ von seinem neuen Album „Jojas Klaviermusik“. Nur mit den Fäusten, nur die schwarzen Tasten. Ein Stück, wie der Hamburger Pianist sagt, das man auch „mit dicken Wollfäustlingen“ spielen kann. Erlernbar in 30 Minuten. Na ja. So wie er das spielt, so perlend und fließend und aus dem Kopf wie alle seine Stücke, sind 30 Jahre vielleicht doch realistischer.

Seine Reisen um die Welt, die ihn bis nach China oder ins russische Kamtschatka führten, ebenso wie sein eigener Lebensweg haben den 51-Jährigen zu „Jojas Klaviermusik“ inspiriert. Jede Station, jede Zäsur hat ihr Lied. „Helix“ dreht sich im Wortsinn um unsere DNS, die am Anfang unseres Lebens steht („Desoxyribonukleinsäure klingt nicht so gut.“), „Für Elisa“ ist seiner Tochter gewidmet, „Fulanga (Regenlied)“ seiner Heimatstadt Hamburg, „Eskimo“ den weiten Landschaften („Ich weiß, korrekt wäre Inuit oder First Nation statt Eskimo.“), „Der Filius“ dem Sohn, „Just Married“ der eigenen Hochzeit, „Requiem“ dem Abschied, und „Weihnachtslied“ spricht für sich.

Die Kompositionen schwingen wie Joja selbst zwischen den Stilen

15 Kompositionen sind es insgesamt, die wie Joja selbst zwischen Jazz und Boogie-Woogie, Klassik und Pop schwingen, den Saiten seines Flügels gleich. „Dieses Album ist ein Querschnitt meines Lebens“, sagt er. Ein Leben, das immer voller Musik war.

Joja ist noch Schüler am Lise-Meitner-Gymnasium in Osdorf, als er Anfang der 80er in die Hamburger Szene „abgleitet“, wie er lachend erzählt. „Das ging ab. Das war eine coole Zeit. Ich bin mit Abi Wallenstein und Inga Rumpf herumgezogen, jammte zusammen mit Angus Young von AC/DC im Sperl am Großneumarkt. Und wollte Musik zum Beruf machen. So habe ich allerdings den Rock ’n’ Roll verraten.“

Wendt studierte wie Roger Cicero Jazz am Konservatorium Hilversum

Er studierte wie Roger Cicero Jazz am Konservatorium Hilversum, auch die Manhattan School of Music in New York besuchte er. „Das fand die Szene schon schlimm. Dann habe ich die Konzerte auch noch humorvoll verpackt und alle fanden das richtig schlimm. Dann hatte ich Erfolg damit und das fanden alle am schlimmsten.“ Mit dem Rock ’n’ Roll sei es dann nichts mehr geworden, aber „ich vertrage auch nicht so viel Alkohol“, ergänzt er fröhlich zwinkernd. Genregrenzen kümmern ihn allerdings ohnehin nicht. Dass Jazzer sich von klassischen Musikern absetzen, die wiederum mit Rockmusik nichts anfangen können, war ihm immer fremd: „Man darf Musik nicht als Selbstzweck sehen, Musik nicht nur für Musiker machen.“

Macht er auch nicht. Wendts Ansatz ist seit jeher, dem Publikum durch die Entertainment-Hintertür einen Zugang zu anspruchsvoller Musik zu öffnen. Ein Trick, den auch Helge Schneider benutzt. Der „Ping Pong Song“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es führt zurück ins Jahr 2009, als Wendt in den chinesischen Ableger von „Wetten, dass..?“ eingeladen wurde. Er saß am Klavier und zwei ehemalige Tischtennis-Weltmeister spielten auf dem In­strument ein Match, gaben mit dem Ball den Rhythmus vor. Es folgten Einladungen als erster Europäer in die große chinesische TV-Neujahrsgala mit 500 Millionen Zuschauern. Seitdem geht es jedes Jahr auf Tournee nach China. „Die Chinesen lieben Klassik, sie lieben Klavier, sie lieben Tischtennis. Ich hab das einfach mal kombiniert.“ Im Reich der Mitte erkennt man ihn auf der Straße. Ein erfolgreicher deutscher Musikexport.

Im Stück „Das Geisterhaus“ verneigt sich der Musiker vor AC/DC

Spaß am Klavier, das wirkt schon bei Kindern und erinnert bisweilen gar an eigene Kinderzeiten. Das Stück „Das Geisterhaus“ ist so entstanden. „Als Kinder machten wir beim Erzählen von Gruselgeschichten immer unheimliche Geräusche auf dem Klavier. Tiefe Töne, das Streichen der Saiten, das Klimpern in den oberen Lagen als Vogelgezwitscher.“ Auf dem Album wird dies ergänzt durch die Wucht des Filmorchesters Babelsberg, geleitet von Jörg-Achim Keller. Auch eine Portion Rockgeschichte findet Eingang in „Das Geisterhaus“: „Der Anfang ist von AC/DC, ,Thunderstruck‘, eine Verneigung vor Angus Young.“ Den Rock ’n’ Roll versteckt Joja Wendt also doch in seinen Tastenläufen; das Klavierspiel ist seine Droge, es gibt den Takt für sein Leben vor. „Jojas Klaviermusik“ ist eine auf CD gebrannte Autobiografie.

Ein zentrales Element des Lebens, das jeden Menschen mehr oder weniger begleitet, fehlt allerdings. Bei der Erwähnung pfeift er laut und fällt fast vom Hocker: Sex. „Ooooohh ... ääääh ... darf ich Dir ein Geheimnis verraten?“ Er hat keinen? „Ich bin seit 23 Jahren glücklich verheiratet. Aber ein eiserner Grundsatz auf der Bühne ist: Keine Scherze unter der Gürtellinie.“ Musik könne zwar Stimmungen schaffen, aber Sex als musikalisches Thema? „Eigentlich eine interessante Idee.“, findet Joja Wendt und denkt an den „Bolero“: „Ruhiger Anfangsbogen als Vorspiel, später rhythmische Elemente – und ein abruptes Ende.“ Da geht noch was.

Joja Wendt: „Jojas Klaviermusik“ Album
(Nullviernull/Universal) im Handel
Joja Wendt live Do 24.3. (ausverkauft), Do 30.6., Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten ab 39,90 unter der Abendblatt-Ticket-Hotline
T. 30 30 98 98; www.jojawendt.com