Hamburg. Rap bis Rock: Finnland hat mehr zu bieten als Sunrise Avenue. Das Land der 1000 Seen ist ein Schwerpunkt beim diesjährigen Festival.
Ein kleiner Supermarkt im westfinnischen Merikarvia. Etwas mehr als 3000 Einwohner gibt es hier, und die, so scheint es, brauchen nicht nur Brot, Milch und Angelhaken, sondern auch Musik. Harte Musik. Im Regal an der Kasse liegt neben Heimwerker- und Kochzeitschriften das finnische Metal-Magazin „Inferno“ , einen Gang weiter findet sich ein CD-Verkaufstresen, der nicht etwa mit Folklore oder Pop, sondern mit finnischem Death-Metal-Krawumms von Bands wie Children of Bodom oder Rotten Sound bestückt ist.
„Ja, wir Finnen sind schon ein besonderes Volk“, lacht Tuomo Tähtinen, Chef von Music Finland und derzeit in Hamburg, um beim Reeperbahn Festival Werbung für Künstler aus seiner Heimat zu machen. „Die Hardrock- und Metal-Szene ist bei uns sehr groß und etabliert, doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Bandbreite deutlich erweitert. Denken Sie nur an Sunrise Avenue.“
Deutscher Markt für finnische Musiker besonders attraktiv
Tatsächlich ist die Popband um Mädchenschwarm Samu Haber, die ihren Anfang unweit von Helsinki nahm, international derzeit das Aushängeschild der finnischen Musikszene – zum Konzert auf der Trabrennbahn kamen unlängst 14.000 Fans. Die Chartstürmer hat Tähtinen, der seit sieben Jahren für Music Finland arbeitet, nicht im Gepäck, dafür aber zehn Bands und Solokünstler, die die gesamte künstlerische Spannbreite abbilden sollen, etwa Rapper Noah Kin, der bereits drei Alben veröffentlicht hat und schon im Vorprogramm von Stars wie Wiz Khalifa und Kendrick Lamar auftrat. Oder Singer-Songwriterin Mirel Wagner, die ihre zarten Folklieder erstmals 2011 auf dem Reeperbahn Festival sang. Oder das Gothic-Rock-Quartett Grave Pleasures, das bis vor Kurzem noch auf den Namen Beastmilk hörte und schon da als „der neue heiße Scheiß“ galt. Auftritte beim Reeperbahn Festival – manchmal sind es zwei oder gar drei an verschiedenen Orten – sollen nicht nur Fans begeistern, sondern auch Konzertagenturen und Plattenlabels aus aller Welt vor Ohren führen, was Finnland derzeit zu bieten hat.
„Wir versuchen Netzwerke herzustellen“, erklärt Tuomo Tähtinen, der das Reeperbahn Festival als Kontaktbörse für sich und seine Schützlinge versteht. Am Ende gehe es darum, den internationalen Markt für finnische Künstler noch weiter zu öffnen, und dafür müsse man sie eben erst einmal bekannt machen. Dem deutschen Markt komme wegen seiner Größe eine besondere Rolle zu, sagt der 33-Jährige. Natürlich sei das restliche Skandinavien auch wichtig, schon weil sich hier vergleichsweise unkompliziert Touren organisieren lassen, doch in Sachen Tonträgerverkäufe sei vor allem Schweden mit seinen zahlreichen eigenen Top-Acts „schwer zu knacken“.
Weshalb nun also Deutschland „geknackt“ werden soll. Von Bands und Solokünstlern, die teilweise in ihrer Heimat schon Erfolg haben. Manchmal gar mit finnischsprachigen Liedern, was – so Tähtinens Einschätzung – im Rest der Welt eher nicht funktioniert. Da muss es dann eben doch Englisch sein. So wie bei Sunrise Avenue oder bei den Metalweltstars Nightwish (am 18.11. in der Barcleycard Arena) und Lordi. Letztere konnten 2006 mit „Hard Rock Hallelujah“ ja sogar den Eurovision Song Contest gewinnen. Fortsetzung folgt? Vielleicht ist der Finnland-Schwerpunkt des Reeperbahn Festivals ein erster Schritt dahin.
Noah Kin Sa 26.9., 12.00, Groove City Record Store (Marktstraße 114) und 26.9., 23.50, Angie’s Nightclub (Spielbudenplatz 27) Infos zum Reeperbahn Festival:
www.reeperbahnfestival.com; Tickets: 39,- (Fr),
44,- (Sa), 69,- (Fr/Sa) unter T. 413 22 60