Hamburg . Das Reeperbahn Festival feiert im Theater Schmidtchen Eröffnung. Und auch das neue Klubhaus St. Pauli wurde offiziell eingeweiht.
Alles auf einmal. Auf diese schlichte Formel lässt sich die stetig gestiegene Bedeutung des Reeperbahn Festivals bringen, das in diesem Jahr sein zehntes Jubiläum feiert. Mehr als 30.000 Musikfans, ob nun Konzertgänger oder internationale Branchenvertreter, werden die Stadt bis in die Nacht zum Sonntag in Schwingung versetzen. Ein Summen und Brummen, ausgelöst durch mehr als 400 Konzerte und mehr als 150 Business-Konferenzen an 70 Orten auf und rund um St. Pauli.
Das Festival hat mittlerweile einen Magnetismus entwickelt, an den sehr vieles quasi zwangsläufig anzudocken scheint. So feierte am Mittwochabend nicht nur das Festival selbst im neuen Theater Schmidtchen am Spielbudenplatz Eröffnung. Auch das Klubhaus St. Pauli, Heimat des Schmidtchen sowie weiterer Spielstätten auf sechs Stockwerken und 5000 Quadratmetern, wurde offiziell eingeweiht.
Das Reeperbahn Festivals 2015 ist eröffnet
Die Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt und Bauherr Corny Littmann sprachen ein paar Worte. Dann zählte Überraschungsgast Udo Lindenberg den Countdown herunter, legt den Schalter zur Illumination der Medienfassade des 17 Millionen Euro teuren Neubaus um. „Die absolute Obersensation hier“, befindet der Altrocker. Farben und Animationen flirrten da über die LEDs, die die Außenseite des Klubhauses bedeckten. Ein Mix aus Disco und Kunstinstallation, die in die Nacht entsendet wurde, hinaus auf den Kiez. Und wie dieser in den vergangenen Jahren vom Reeperbahn Festival erfasst wurde, zeigte bei der Eröffnung im Schmidtchen die Doku „Zehn“.
Akteure, die von Anfang an dabei sind, zeichneten da ihr Festival-Feeling auf einen Block. „Schlaflosigkeit“ ist ein Wort, das Gründer Alex Schulz notierte. Bei seiner Begrüßung wirkte er allerdings (noch) sehr wach. Und spätestens im Interview mit dem einstigen MTV-Moderator Ray Cokes blieb ohnehin kein Auge trocken respektive müde. Der erfrischend zynische Brite ist eine Art Festival-Maskottchen. Seine Show, bei der er im Schmidt Theater neue Acts vorstellt, sorgt längst für lange Warteschlangen (Do, Fr, Sa 17 Uhr). Schulz ist vor allem gespannt auf die diesjährigen Neuerungen des Festivals, etwa auf das Pilotprojekt „Logbuch“. Mithilfe der Festival-App können Konzertgänger da alle besuchten Spielstätten und Gigs auf dem Smartphone vermerken lassen und später auf weiterführende Inhalte wie Livemitschnitte und Interviews zugreifen. Ein Innovationsschub und zugleich Verweis auf die parallel stattfindende Digitalkonferenz Next. Manche nennen es Synergie. Andere: alles auf einmal.
Premiere: Finnland als Gastland eingeladen
Eine Premiere ist ebenfalls, dass das Festival mit Finnland erstmals ein offizielles Gastland eingeladen hat, auf der Bühne vertreten durch Tuomo Tähtinen, Geschäftsführer von Music Finland. Und live zu erleben heute von 15 Uhr an mit Konzerten im Sommersalon des Klubhauses. Eine lange Partnerschaft verbindet das Festival mit dem NDR, dessen Intendant Lutz Marmor ebenso gratulierte wie Carsten Brosda, Medienbevollmächtigter des Senats.
Am Mittwochmittag hatte Brosda im Rathaus zunächst mit Vertretern der Musikwirtschaft eine umfassende Studie präsentiert, die von Hamburg maßgeblich angestoßen und mit 25.000 Euro zu einem Viertel finanziert wurde. Denn angedockt an das Festival findet der sogenannte Musik-Dialog statt. Ein Fädenzieher-Treffen, bei dem die politische Dimension der Branche diskutiert wird. Und das dazu führte, dass 2014 die Studie „Musikwirtschaft in Deutschland“ in Auftrag gegeben wurde – zu einem weiteren Viertel vom Wirtschaftsministerium finanziert und zur Hälfte von Verbänden der Branche.
Ein zentrales Ergebnis formulierte Studienleiter Wolfgang Seufert von der Uni Jena: „Wir haben die Musikwirtschaft in ihrer Größe unterschätzt.“ Das liege unter anderem daran, dass neben großen Spielern wie Warner viele Mikro-Unternehmen dazu zählen.
Brosda zeigte sich besonders beeindruckt von den ausstrahlenden Effekten der Branche, etwa für den Tourismus in Hamburg. Für Kurzurlaube, die mit einer Musikveranstaltung verbunden waren, gaben Reisende 2014 in Deutschland 4,5 Milliarden Euro aus. Knapp ein Viertel von ihnen kam dafür nach Hamburg – an erster Stelle vor Berlin und München. „Wir müssen jetzt darüber reden, was das politisch bedeutet“, sagte Brosda entschieden.
Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie, betonte: „Bei all den Zahlen dürfen wir nicht vergessen, dass Musik ein hoch emotionales Produkt ist.“ Das Wort „Produkt“ setzte er dabei mit den Fingern in Anführungsstriche. Denn letztlich geht es um Kunst, um freien Ausdruck. Ganz so, wie ihn die Hip-Hopper von Fünf Sterne Deluxe praktizieren. Die Hamburger wurden eben erst als Überraschung für die Warner-Nacht am Freitag im Docks bestätigt: „Die Leute wollen, das was passiert“.