München/Hamburg. Die Hamburger Hip-Hopper sprechen über belanglose Musik in unruhigen Zeiten, ihre Heimat und ihr achtes Album “Teenager vom Mars“.
In der Stunde eins des deutschen Hip-Hops, kurz nach den Fantastisches Vier, waren sie Anfang der 90er zur Stelle: Die Hamburger Band „Fettes Brot“ hat mit Songs wie „Jein“, „Nordisch bei Nature“ und „Emanuela“ den deutschen Hip-Hop geprägt. Mit „Teenager vom Mars“ bringen die drei Musiker nun ihr achtes Album auf den Markt. Im Interview mit dpa-Mitarbeiterin Britta Schultejans in München sprechen Boris Lauterbach alias König Boris, Martin Vandreier alias Dokter Renz und Björn Warns alias Björn Beton über ihre eigene Bedeutung – und ihre Sorge um die Generation Helene Fischer.
Frage: In Ihrem Lied „Alle hörn jetzt Schlager“ singen Sie kritisch „Ein ganzes Land ist atemlos“. Was haben Sie denn gegen Helene Fischer?
König Boris (Boris Lauterbach): Gegen Helene Fischer als Person haben wir gar nix. Die kennen wir ja nicht mal. Wir machen uns nur Gedanken über unsere Gesellschaft, wenn sich in einer Zeit, wo es an allen Ecken und Enden brennt und viele verrückte Dinge passieren, ein Großteil dieser Gesellschaft darauf einigt, Schlagermusik wieder gut zu finden mit Texten, die keinerlei Stellung zu irgendwas beziehen und im schlimmsten Fall ein sehr veraltetes Weltbild propagieren. Da gibt es eine klare Einteilung in Gut, Böse, Schwarz, Weiß, Mann, Frau. Wenn das nicht nur eine Nische für ein paar Rentner ist, sondern sich eine große gesellschaftliche Gruppe darauf einigt, dann fragen wir uns, warum das so ist, und machen uns ein wenig Sorgen.
Dokter Renz (Martin Vandreier): Wir sind mit dem Gefühl groß geworden, dass Schlager etwas ist für Spezialisten. Und wenn es Menschen waren, die jünger waren als 70, dann haben die sich auch eher dafür geschämt, dass die so belanglose Musik hören. Damit meine ich jetzt ausdrücklich den Schlager, der nichts vermitteln will. Es gibt ja auch ganz tolle Chansons oder Sachen von Udo Jürgens. Da gibt es großartige Musik. Aber der das Madl und den Buam besingende Retro-Schlager im modernen Sound-Kostüm ist wirklich eine komische Musik.
Björn Beton (Björn Warns): Ich empfinde das eher als eine völlige Ignoranz der Realität. Diese Welt, die sie da besingen, die gibt es für mich nicht, und das weiß auch jeder. Hier dient Musik dazu, eine Fantasiewelt aufzubauen und sich selbst zu besingen. Und das finde ich irgendwie ignorant.
Es ist ja oft so, dass in schwierigen Zeiten das Belanglose Hochkonjunktur hat. Stichwort Biedermeier...
König Boris: Umso wichtiger, das dann mal anzusprechen. Ich finde, es bedarf da einer größeren Diskussion und keiner Sedierung. Ich kann den Reflex verstehen, sich mal verstecken zu wollen. Man kann sich auch mal ein Wochenende die Decke über den Kopf ziehen und sagen „Leckt mich alle am Arsch“. Aber das als grundsätzliche Lebenshaltung zu begreifen und alles, was die schöne heile Welt stört, auszublenden, das ist der Welt, in der wir leben, in der Asylbewerberheime brennen, Kriege ausbrechen und Staaten pleitegehen, nicht angemessen. Man muss darüber diskutieren.
Björn Beton: Was nicht heißt, dass man jetzt automatisch seinen Humor verlieren muss und keine schöne Zeit mehr haben darf. Dafür sind wir als Band ja auch nicht da. Aber bei einer Flucht ins Naiv-Doofe, da wollen wir nicht mitmachen.
Was müsste eigentlich passieren, damit Sie aus Hamburg wegziehen?
Dokter Renz: Man verliebt sich zum Beispiel in eine Japanerin oder einen Japaner.
König Boris: Das kann ich mir gut vorstellen: Dokter Renz verliebt sich in eine Japanerin und zieht in eine WG in Osaka. Liebe und Job sind natürlich Gründe, aber ich glaube, wir investieren unsere Energie lieber darin, Hamburg liebenswert zu erhalten, bevor wir jetzt die Segel streichen und nach Berlin gehen.
Björn Beton: Ein Grund für mich, aus Hamburg wegzuziehen, wäre, wenn ich bei den Olympischen Spielen keine Goldmedaille bekomme. Dann wär ich aber richtig sauer.
Auf der Platte heißt es, „Hip-Hop ohne uns wäre wie Enterprise ohne Spock“. Wie genau meinen Sie das?
Dokter Renz: Na, ohne Spock wäre Enterprise sehr langweilig gewesen. Wir haben ja Hip-Hop in Deutschland mit aus der Wiege holen dürfen, aber der Schritt, deutsch zu rappen, fühlte sich schon abenteuerlustig an, weil das noch nicht sehr verbreitet war. Insofern glauben wir, dass wir schon einen gewissen Teil zu deutschem Rap beisteuern konnten, der fehlen würde, wenn wir es nicht gemacht hätten. Und es ist natürlich ein inneres Blumenpflücken, wenn man heute erfolgreichen jüngeren Künstlern dabei zuhört, wie sie hier und da mal auch ein bisschen nach uns klingen.
Björn Beton: Lieber Dokter Renz, Ihnen ist schon bewusst, dass der Spock-Darsteller Leonard Nimoy gestorben ist? Es gibt also Enterprise ohne Spock. Heißt das im Umkehrschluss, dass es nun doch Hip-Hop ohne Fettes Brot geben wird?
Dokter Renz: Ein Hip-Hop ohne Fettes Brot ist möglich, aber sinnlos.
Info: Boris Lauterbach alias König Boris, Martin Vandreier alias Dokter Renz und Björn Warns alias Björn Beton machen inzwischen seit mehr als zwei Jahrezehnten als Fettes Brot erfolgreich deutschen Hip-Hop. Ihre größten Hits sind „Jein“, „Nordisch by Nature“ und „Emanuela“. In ihrer Heimatstadt Hamburg machen sich die Musiker gegen Gentrifizierung stark.