Sabbeln, singen, sabbeln: Die Hamburger Entertainerin gibt mal wieder alles bei ihrer Show in der O2 World, doch die Stimmung bleibt gesetzt.
Hamburg. „Zu viel Information“ heißt das aktuelle Album von Annett Louisan, das sie an diesem Montag auf Kampnagel vorstellt. Aber in Sachen „Zu viel Information“ kann Louisan von Labelkollegin Ina Müller noch viel – zu viel – lernen. Denn Ina Müller ist eine Frau, die sich alles verbieten lassen würde, aber sicher nicht den Mund.
Eine heftige Grippe hält sie schon gar nicht davon ab, am Freitag in der wie immer ausverkauften O2 World aufzutreten. Die Nase läuft nicht, sie rennt, auf der Stimme liegt Pelz, und nach Tanzeinlagen pfeift und schnauft sie wie die Harzer Brockenbahn bei der Bergauffahrt. Sei es drum, 12.000 Fans sind gekommen und sie wollen ihre Ina, die populärste Künstlerin Norddeutschlands. Und sie bekommen Ina. Nicht auf T-Shirts am Fanartikelstand, denn die gibt es bei ihren Konzerten traditionell nicht, sondern als 150 Minuten lang „dauernd sabbelnde“ und singende Vollblut-Entertainerin.
Elegant in Marlene-Dietrich-Hose und Eishockey-Schiedsrichter-Bluse schwebt sie über die Bühne zwischen ihrer Band herum, unternimmt immer wieder Ausflüge in den Saal, zerkratzt auf dem Flügel rekelnd den Lack und thront auf einem 65er-Deutz-Sitz.
Musikalischer Schwerpunkt ist das neue Album „48“, ihr aktuelles Alter, mit dem sie den Durchschnitt in der O2 World ein gutes Stück senkt. „Sie schreit nur noch bei Zalando“, „Déjà-vu“, „Wenn dein Handy nicht klingelt“, „Schuhe“ und „Pläne“ sind die Themen, über die ein „Teenager“ beim besten Willen nicht singen kann. Alltags- und Schicksalsgeschichten über Kummer und Krisen, Ausfälle und Reinfälle, Fettnäpfchen und Speckröllchen. Was sich eben in 48 Jahren so ansammelt bei einer Frau wie ein „Diamant in einer Welt voller Klosteine“.
Aber die Lieder, die die munter aufgelegte, etwas übersteuerte Band präsentiert, sind nach wie vor nur Einleitungen und Zwischenstücke für die große Ina-Müller-Show. Nach zwei Songs haben die Musiker Pause und Ina lässt sich von der Leine, lässt vom Leder, lässt vom Stapel. Hitzewallungen, der Kampf des Körperfetts mit der Schwerkraft, Knetfiguren aus dem Doppelkinn, nichts lässt sie aus. Zu viel Information!
Die wenigen Herren im weiten Rund bekommen natürlich auch einen mit: „Männer schauen Frauen auf den Hintern und sagen: Was für ein Arsch. Wir machen das Gleiche bei Männern, aber schauen ihnen dabei ins Gesicht.“ Man spürt förmlich, wie sich im Publikum neckende Ellenbögen in die Lenden der mitgeschleppten männlichen Begleiter bohren, falls die nicht gerade den Sektnachschub sichern müssen.
„Dumm kickt gut“, „Drei Männer her“ und „Zurück in Muttis Bauch“ geben noch mal Gas, sodass sich die Reihen am Ende auch mal erheben. Denn trotz 12.000 Besuchern und Heimvorteil ist die Stimmung an diesem Abend im Wortsinn sehr gesetzt. Klatschen, lachen, knuffen ist immer drin, aber für das Zusatzkonzert am 6. Dezember ist noch Luft nach oben. Auf dem Heimweg nach dem Finale „Nach Hause“ haben sich auch alle wieder lieb: „Ich bin auf Entzug, ein Taxi, ein Flug. Die Treppe noch rauf, und dann machst du mir auf. Das ist der Moment, den ich jetzt will, jetzt will.“