Hamburg. Zum fünften Geburtstag des Konzerthauses zeigt das Duo Drift mit Lichtinstallationen im MK&G, wie wertvoll und inspirierend die Natur ist.

Im Treppenhaus des Museums beginnt die Vorahnung. Sanfte Klaviermusik sinniert leise in kleinen Wellenbewegungen vor sich hin, Minimalistisches aus Phil Glass’ Kammeroper „Les Enfants terribles“, die Vertonung von Jean Cocteaus todtraurigem, märchenhaftem Roman über zwei Kinder, die sich eine ganz eigene Welt aus rätselhaften Symbolen schaffen. Sanftes Surren kommt dazu, weil sich links und rechts irreale Blumenblüten auf- und niederbewegen, abgestimmt auf die Musik, zart leuchtend, sich öffnend und schließend, als wollten sie jeden Gast einzeln begrüßen.

Im ersten Stock warten zwei weitere Installationen, die lebendig wirken, obwohl sie aus toter Materie bestehen. Extrem zerbrechlich, eine falsche hastige Bewegung nur, und alles könnte wie ein unterbrochener Traum in sich zusammenfallen. Der erste Eindruck: wie schön, wie freundlich. Der anderthalbte: gefühlige Kuschelkunst mit Geborgenheitsanteil, in Sichtweite einer Kitschgrenze auf sehr hohem Hightech-Niveau.

Ausstellung Hamburg: Besondere Lichtskulptur geplant

Gefühl ist alles in der Arbeit von Drift. „Wenn ich nicht emotional involviert bin oder ich keine emotionale Reaktion bei unserem Publikum sehe, weiß ich, dass das Kunstwerk nicht gelungen ist“, sagt Lonneke Gordijn im Gespräch mit Tulga Beyerle. Die Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe (MK&G) ist Gastgeberin der ersten großen Soloausstellung des niederländischen Künstlerduos in Deutschland, das mit seinen außergewöhnlichen Leuchtinstallationen für Aufmerksamkeit sorgt.

„Shylight“, choreografierte Lichtinstallation im Treppenhaus des MK&G.
„Shylight“, choreografierte Lichtinstallation im Treppenhaus des MK&G. © Henning Rogge | MKG

Häufig beginnen ihre zunächst wahnwitzig klingenden Projekte mit dem Satz „Wie cool wäre es, wenn...“. Für „Franchise Freedom“ etwa ließen Drift Drohnen die Bewegungen fliegender Vögel imitieren. Im Frühjahr wird das Duo zum fünften Geburtstag der Elbphilharmonie eine mit Drohnen erzeugte Lichtskulptur an der Außenfassade erschaffen, die Gebäude, Publikum und Musik miteinander verschmelzen lässt.

Mehr Details werden am Pressetag im MK&G nicht verraten, doch offensichtlich trifft diese Art, Kunst zu machen, den Geschmack des Intendanten; Christoph Lieben-Seutter hatte Landsmännin Tulga Beyerle vor etwa einem Jahr um eine Idee für „etwas ganz Besonderes“ zu diesem Jubiläum gebeten, „mehr als nur ein Feuerwerk“. Man darf gespannt sein.

Ein Bewusstsein für die Schönheit schaffen

Zum ersten Mal begegnete Beyerle dem Duo, bestehend aus Lonneke Gordijn und Ralph Nauta, vor einigen Jahren bei einer Möbelmesse in Mailand. Als „berührend, inspirierend“ beschreibt sie die Gebilde der Kreativen und, dass man sie eigentlich schwer in Worte fassen könne. Besser, man sieht mit eigenen Augen, wie „Fragile Future“ oder „Shylights“ Räume und Treppenhaus des Museums „zum Schwingen“ bringen. Oder lässt sich durch ein Youtube-Video von der bewegten Poesie bezirzen.

„In 20 Steps“ ist eine 2015 entstandene kinetische Skulptur aus Glas, Messing, Dyneema, Elektronik und Motoren.
„In 20 Steps“ ist eine 2015 entstandene kinetische Skulptur aus Glas, Messing, Dyneema, Elektronik und Motoren. © Henning Rogge | MKG

„Moments of Connection“ lautet der Ausstellungstitel. Connection, also Verbindung, sei das, was den Menschen heute fehle in der Beziehung zur sie umgebenden Natur, so die Künstlerin. „In der Architektur, die wir erschaffen, wollen wir uns sicher fühlen, doch sie macht uns unfrei, begrenzt uns.“

Nicht einmal auf den eklatanten Klimawandel reagierten die Menschen oder zumindest „nur ein bisschen“. Die Leuchtinstallationen sollen unser Bewusstsein für die Schönheit, aber auch Zerbrechlichkeit der Natur wecken. Schließlich sei Natur alles, alles sei Natur. „Sie ist ständig in Bewegung, ich finde ihren Willen und die Hoffnung zu leben, faszinierend. Natur ist die größte Quelle der Inspiration“.

Lichtskulptur „Fragile Future III“: Für das Raumerlebnis verwendet Drift Phosphorbronze, Löwenzahn, LED und Elektronik.
Lichtskulptur „Fragile Future III“: Für das Raumerlebnis verwendet Drift Phosphorbronze, Löwenzahn, LED und Elektronik. © Henning Rogge | MKG

Blüten werden zum Leben erweckt

Rund 50 Menschen gehören zum Stamm von Drift. Für jedes neue Projekt engagiert das Duo spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Designer, Programmierer, Techniker, mit der Absicht „einen menschlichen Zugang zu Technologien zu schaffen“, sprich: unzählige Löwenzahnsamen oder prachtvolle Seidenblüten durch LED und Software zum Leben zu erwecken oder mit filigranen Glasröhren die Bewegungen von Insekten nachzuahmen.

Sich jedes Mal in ein Abenteuer werfen – so bezeichnet die Künstlerin ihre Arbeit mit Ralph Nauta, mit dem sie Drift 2007 gründete, „um Freiheit zu leben“, sich aus vorgeprägten Rollen herauszubewegen. Durch die Installation im MK&G teilen sie einige dieser kostbaren Momente mit dem Publikum.

„Drift. Moments of Connection“ 7.1.-8.5.2022, Museum für Kunst & Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00, Eintritt 12,-/8,- (erm.), www.mkg-hamburg.de