Hamburg. In dem Hamburger Museum werden koloniale Aneignungen in Ozeanien-Sammlung sowie Bestände zu NS-Raubgut untersucht. Die Hintergründe.
Zwei wichtige Forschungsprojekte werden am MARKK, dem Museum am Rothenbaum, noch in diesem Sommer gestartet, um die kritische Provenienzgeschichte einiger Sammlungsbestände zu ergründen, die zu früheren Zeiten ins Haus gelangten: In einem ersten Projekt wird die Herkunft von Sammlungsbeständen aus Ozeanien untersucht, die auf eine Vernetzung des deutschen Kolonialwesens mit dem Hamburger Welthandel zurückgehen.
Bisher durchgeführte Forschungen zeigen, welche ethnografischen Objekte aus den Westafrika-Sammlungen des MARKK zwischen 1860 und 1920 durch koloniale Akteure nach Hamburg gelangten. Der für den westafrikanischen Kontext erprobte Ansatz wird nun in einer zweijährigen Verlängerung auf die Sammlungen aus Ozeanien angewandt. Untersucht werden Verdachtsmomente auf koloniale Übergriffe und zweifelhafte Aneignungspraktiken; dies soll in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften erfolgen.
Bestandsüberprüfung zu NS-Raubgut in Hamburg
Zeitgleich beginnt eine erste systematische Bestandsüberprüfung zu NS-Raubgut. Basierend auf bekannten oder als betroffen eingestuften Sammlungen werden nun zunächst Judaica-Objekte, also Objekte religiösen Gebrauchs, sowie Objektüberweisungen öffentlicher Einrichtungen nach 1945 untersucht.
Es soll ermittelt werden, inwieweit der jeweilige Erwerb mit Zwang oder Verfolgung in den Jahren 1933 bis 1945 in Verbindung steht, wer Vorbesitzer und Überbringer war. Unter den Überweisungen befinden sich unter anderem auch im MARKK Silberobjekte aus jüdischem Besitz, die 1939 in Hamburg zwangsabgegeben werden mussten und 1961 von der Finanzbehörde als Restbestand auf die Hamburger Museen verteilt wurden.
Ergebnisse sollen auf Website veröffentlicht werden
Die Ergebnisse der Projekte sollen über die museumseigene Website, im Rahmen der sukzessiven Onlinestellung der Sammlungen sowie mit einer Ergebnispräsentation samt Vortrag veröffentlicht werden. Gefördert werden die Projekte vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg. Das Hauptaugenmerk des Zentrums gilt dem im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut insbesondere aus jüdischem Besitz (sogenanntes NS-Raubgut).
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Grundlage für seine Arbeit in diesem Bereich sind die 1998 verabschiedeten Washingtoner Prinzipien, zu deren Umsetzung sich Deutschland im Sinne seiner historischen und moralischen Selbstverpflichtung bekannt hat („Gemeinsame Erklärung“ aus dem Jahr 1999). Kulturgutverluste aus diesem Bereich werden als Such- und Fundmeldungen in der öffentlich zugänglichen Datenbank „Lost Art“ dokumentiert.
Hamburger Museumsdirektorin betont Relevanz
Daneben zählen kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter (sogenanntes Beutegut) sowie Kulturgutverluste während der sowjetischen Besatzung und in der DDR zu den Handlungsfeldern des Zentrums. Seit April 2018 befasst sich das Zentrum zudem mit Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten.
„Die beiden Förderungen ermöglichen die dringend notwendige Erforschung der Erwerbsumstände der in den Fokus genommenen Bestände“, erklärt Museumsdirektorin Barbara Plankensteiner. Der Pazifikraum, der „von einer komplexen Verschränkung kolonialer Interessen und Handelsstrukturen geprägt“ sei, bilde am MARKK einen wichtigen Sammlungsschwerpunkt. Verdachtsfällen auf NS-Raubgut solle „endlich fundiert nachgegangen“ werden. „Nach Abschluss der Forschungen können nächste Schritte geplant werden.“