Hamburg. Die Fabrik der Künste zeigt derzeit eine Ausstellung mit Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers Ulrich Jenneßen.
„Das eine Stückchen Holz mit einer merkwürdigen Verformung unter Hunderten von winzigen Strandgütern, Steinen, Muscheln, das hält ihn an, spricht ihn an, verlangt nach seiner Aufmerksamkeit – niemand sonst bemerkt das, sieht das, aber er sieht das, lässt sich seine Geschichte erzählen, die sonst niemand hört, aber er hört sie, fühlt sie in der Hand, steckt das Teil ein, nimmt es mit ins Atelier, legt es hin, wartet ab, was es noch zu erzählen hat, manchmal sehr lange, sehr geduldig.“ Es ist Dieter Jaenicke, einst Direktor des Hamburger Sommerfestivals, der die Arbeitsweise seines langjährigen Freundes Ulrich Jenneßen so liebevoll wie bildhaft beschreibt.
Was daraus entsteht, ist momentan in der Fabrik der Künste im Hammer Industriegebiet zu erleben, etwa drei Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt: „Wandel“ heißt die Ausstellung von Objekten und Malerei des in Hamburg lebenden Künstlers, präsentiert von dem Galeristen Jens Goethel.
Globalisierung und allgemeine Weltbeschleunigung
Ein Titel, scheinbar zeitlos, und doch gerade jetzt treffender als je zuvor. Jenneßens Antrieb ist es, den von immer mehr äußeren Einflüssen abhängigen Menschen zu thematisieren, der mit den Folgen von Globalisierung und allgemeiner Weltbeschleunigung in Konflikt steht und sich von seinen eigenen Bedürfnissen entfremdet hat.
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Das tut er ganz konkret mit Skulpturen wie „Gier“, einer vergoldeten, äußerst fragil erscheinenden Erdkugel, die von Messer und Gabel aufgespießt wird, oder „Kreuzigung der Natur“, bei der einer 100 Jahre alten Baumwurzel ebenfalls 100 Jahre alte Nägel und Uhrwerkfragmente eingetrieben wurden.
„Digitalistische Malerei und Zeichnung“
In der von ihm so benannten „digitalistischen Malerei und Zeichnung“ bricht der Künstler, der an der Kunsthochschule Bremen in den Gattungen Malerei, Fotografie und Grafik ausgebildet wurde, klassische Bildkompositionen auf und experimentiert mit den Möglichkeiten, die sich durch digitale Gestaltung und technologisch hoch entwickelte Druckverfahren ergeben.
Das titelgebende Werk „Wandel“ offenbart in der Bewegung filigranste Zeichnungen, „Lichter der Nacht“ und „Blue Moon“ beeindrucken mit ihrer monochromen Sattheit, „Fantasiewelten“ lässt die Augen über die schwarze mit allerlei bunten Farbtupfern versehene Fläche tanzen, „Konfrontation 2“ ist alles andere als ein klassisches Porträt.
Das Unbestimmte zulassen
In der luftigen Atmosphäre der großzügigen Ausstellungsräume entfalten die 36 Werke ihre narrative, manchmal rätselhafte oder ins Symbolträchtige neigende Kraft, die sich auf ganz unterschiedliche Weise den Besuchern einprägt, sie inspiriert, fasziniert oder abstößt. Dieter Jeanicke hat auch dies ganz treffend formuliert: „Ich schreibe meine Geschichten, die ich mir selbst zu der Kunst von Ulrich Jenneßen erzähle.
Sie mögen ganz andere sein als die, die er selbst erzählt, und das ist gut so, das ist die Stärke von Kunst, wenn sie stark ist. Auf Eindeutigkeit verzichten, den Zweifel, das Unbestimmte zulassen, den Dialog, den das Objekt mit dem Künstler begonnen hat, durch die Kunst zu einem Dialog mit dem Betrachter werden zu lassen.“
„Wandel“ bis 4.7., Fabrik der Künste (Busse 112,130, U4), Kreuzbrook 12, Mo-Fr 15.00-19.00, Sa/So 11.00-19.00, Eintritt frei.