Hamburg. Die bis Ende Juni laufende Ausstellung zeigt Gemälde, Zeichnungen und Plastiken aus einer bedeutenden Hamburger Privatsammlung.

Der Titel „Land und Leute“ wirkt unspektakulär, ein wenig altbacken, so dass man fast befürchten muss, die Ausstellung könne zu wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dabei bietet die neue Schau im Ernst Barlach Haus im Jenischpark einen überaus reizvollen Blick in eine vorzügliche Hamburger Privatsammlung. Nach Meinung der Kuratorin Dagmar Lott-Reschke wird der betont sachliche Ausstellungstitel der zurückhaltenden Persönlichkeit des Sammlers, der anonym bleiben möchte, gerecht: „Der Fokus ist auf die Natur und den Menschen gerichtet, realistisch, ohne Pathos, mit dem Blick des jeweiligen Künstlers oder der Künstlerin.“

Die etwa 70 gezeigten Werke entstanden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Überwiegend sind es Gemälde, aber auch einige Zeichnungen und Plastiken, im Katalog werden sie treffend als „wohltemperierte Kabinettstücke mit Charme und Charakter“ beschrieben. Sie stammen von so namhaften Künstlern wie Max Liebermann, der mit frühen Werken aus seiner holländischen Zeit um 1880 bis zu den späten, im Malduktus enorm expressiven Wannseebildern vertreten ist, über ­Lovis Corinth, Adolph Menzel, Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Christian Rohlfs und Karl Schmidt-Rottluff. Vertreten sind aber auch einheimische Maler aus dem Umkreis des Hamburgischen Künstlerclubs wie Thomas Herbst oder Ernst Eitner.

Überhaupt findet man wunderbare Hamburg-Motive; gleich im Eingangsbereich das in zarten Grau- und Brauntönen gehaltene Hafenmotiv des Franzosen Albert Marquet (1875–1947), einem Mitbegründer des Fauvismus. Bei offenbar überwiegend schlechtem Wetter hatte der Pariser Künstler im Frühjahr 1909 aus seinem Zimmer im ersten Stock des Hotels Old Commercial Room den Blick über Elbe, Kaiserspeicher und Kehrwiederspitze skizziert und später im Atelier gemalt, das provisorisch im Büro des Vaters, des Hamburger Malers Friedrich Ahlers-Hestermann eingerichtet war.

Einen Höhepunkt bildet im dritten Raum fast eine ganze Wand mit Gemälden von Max Liebermann, etwa der 1880 entstandenen Ölstudie „Altmännerhaus in Amsterdam“, die einerseits die Armut der Protagonisten drastisch zum Ausdruck bringt, die Menschen aber dennoch in ihrer Würde und einer eigentümlichen Harmonie zeigt. Ähnlich beeindruckend ist der ebenso unpathetische wie eindringliche Blick auf den Menschen, der in Paula Modersohn-Beckers 1899 entstandenen „Spinnenden Bäuerin“ spürbar wird. Expressive Landschaften in leuchtender Farbigkeit zeigen die Bilder der Hamburger Ernst Eitner und Otto Illies im vierten Raum. Dort findet sich auch Erich Heckels 1931 entstandenes farbkräftiges Sylt-Motiv „Blick aufs Watt“, zu dem Ivo Hauptmanns pointillistisch hingetupfte Sylter Strandszenen einen reizvollen Kontrast bilden.

Adolph von Menzels Gemälde „Konzertpublikum“, ein realistischer Bauf der Berliner Bildungsbürgertum, stammt aus dem Jahr 1886
Adolph von Menzels Gemälde „Konzertpublikum“, ein realistischer Bauf der Berliner Bildungsbürgertum, stammt aus dem Jahr 1886

Scheinbar unbeschwert wirkt auch das „Strandbild Bornholm“, das Gabriele Münter 1919 gemalt hat, zu einer Zeit, in der sie eine Beziehungskrise durchlitt. Auf eigentümliche Weise bedrohlich erscheint das 1939 entstandene Gemälde „Bäumende Wolke“: Hier schwingt die prekäre Situation mit, der die eng mit der Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ verbundene Malerin in der NS-Zeit ausgesetzt war.

Fast alle Bilder sind kleinere bis mittlere Formate, was nicht verwundert, da es sich um Werke handelt, mit denen sich der Sammler in seinem Umfeld umgibt. Beim Betrachten scheint sich auch etwas von der Persönlichkeit des unbekannten Kunstliebhabers mitzuteilen. Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses, formuliert dies im Katalog mit den folgenden Worten: „Jede Sammlung verdankt sich individuellen Antrieben und Vorlieben, birgt persönliche Erinnerungen, bietet ein fein auf den Eigentümer abgestimmtes Arrangement aus Reflexions- und Projektionsflächen, aus Wunscherfüllung und Widerhaken.“

„Land und Leute“, Ernst Barlach Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50 a, bis 28. 6., Di–So 11.00– 18.00, www.barlach-haus.de