Hamburg. „Den Film vergisst man nach zehn Minuten“, versprechen die Macher des neuen Musicals. Am 26. Juli ist Uraufführung im Thalia Theater.

Der fesche Axel lässt kaum etwas aus, besser gesagt: kaum eine. Da ertappt ihn Doro wieder mal in flagranti mit einer anderen – diesmal auf dem Damen-Klo. Derweil im Saal des Restaurants Max Raabe mit dem Palastorchester „Ja und nein“ oder „Schöner Gigolo“ singt und spielt.

So begann „Der bewegte Mann“ auf der Leinwand. Der Film mit Til Schweiger und Katja Riemann avancierte 1994 und 1995 mit mehr als 6,5 Millionen Besuchern zu einem der erfolgreichsten deutschen Kinowerke überhaupt. Regisseur Sönke Wortmann und Joachim Król für seine Rolle als schwuler Norbert, der dem von Doro hinausgeworfenem Axel Unterschlupf gewährt, bekamen den Deutschen Filmpreis. Wortmann begründete – mit der auf den Ralf-König-Comics „Der bewegte Mann“ und „Pretty Baby“ beruhenden Verfilmung – zudem die neue deutsche Komödie.

„Den Film vergisst man nach zehn Minuten“, sagt Harald Weiler. Er ist wie Wortmann Regisseur, freischaffender Theaterregisseur, und hat die Aufgabe, „Der bewegte Mann“ als Musical auf die Bühne zu bringen. Am Mittwoch erlebt die Produktion des Altonaer Theaters als Pilotprojekt mit dem Thalia Theater und Funke Media vbvb am Alstertor beim „Thalia Sommer“ ihre Uraufführung.

Wie macht man einen Comic bühnentauglich?

„Man geht mit der Hauptfigur mit, mit seinen Missetaten“, sagt Weiler. Die Klo-Szene, die lassen Weiler und Autor Christian Gundlach bewusst weg. Wie aber macht man solch einen Kino- und Comic-Erfolg – Königs „Der bewegte Mann“ verkaufte sich allein 500.000-mal – überhaupt bühnentauglich?

Regisseur Harald Weiler
Regisseur Harald Weiler © Kerstin Petermann | Kerstin Petermann

Der Wahlhamburger Weiler und der in Hannover lebende Autor Gundlach, zugleich musikalischer Leiter des Projekts, haben sich immer wieder abgestimmt. Dass Weiler, 2012 für „Der Wind macht das Fähnchen“ im Theater Kontraste mit dem Rolf-Mares-Preis ausgezeichnet, auch Gundlachs Adaption von „Das Orangenmädchen“ in Altona erfolgreich inszeniert hatte, war eine gute Basis. Gundlach ist deutschlandweit als Theaterautor und -komponist gefragt, 2011 schrieb er sogar die weltweit erste Bühnenfassung vom Zeichentrickklassiker „Das letzte Einhorn“.

Die Idee, „Der bewegten Mann“ als Musical zu konzipieren, kam ihm schon vor fünf Jahren. „Der Film ist großartig und entspringt auch seiner Zeit. Aber mich haben die Comics interessiert. Ich glaube, dass sie zeitlos sind.“ Ralf König hatte sie bereits 1987 entworfen und darin sowohl Hetero- als auch Homosexuelle karikiert. Botschaft damals wie heute: „Sex ist einfach, Liebe ist schwer“, sagt Gundlach, Vater dreier Töchter.
„Was mich nicht interessiert hat, ist ein homosexuelles Panoptikum, nach dem Motto: ,Ach, so lustig sind die Schwulen!‘ Als der Film rauskam, war das noch neu, dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft ankam“, erinnert er sich. Jetzt aber haben wir die Ehe für alle. „Es geht darum, sich zu einem anderen Menschen zu bekennen. gemeinsame Erinnerungen und ein gemeinsames Leben aufzubauen, das wollen alle. Auch Norbert will nicht allein sein, er will jemand an seiner Seite.“

Rockmusik und Smartphones

Film und Comic ausblenden oder adaptieren? „Als Autor muss ich immer von mir ausgehen. Man muss die Figuren in seinem Kopf sprechen lassen, muss sich eine Dramaturgie überlegen, die funktioniert, und dann fangen die Figuren an zu reden. Da muss man bei sich sein, man muss in Fluss kommen an dieser Stelle“, sagt Gundlach. Der Film – „er war einfach nicht präsent“.

Autor und Komponist Christian Gundlach
Autor und Komponist Christian Gundlach © Funke Media / Public Address | Funke Media / Public Address

Im Stück hantieren und telefonieren die Akteure jetzt mit Smartphones. „Das Wichtigste war, dass es eine Geschichte ist, die heute spielt“, sagt er. Das Zweitwichtigste: „Das Stück ist musikalisch vom Film und den Songs von Max Raabe so weit entfernt, wie es nur geht.“ Deshalb hat Gundlach bewusst Rocksongs komponiert. „Es muss eine ehrliche Musik sein, die ganz ungefiltert aus den Emotionen kommt“, sagt er.

„Liedtexte finde ich am herausforderndsten, weil man dabei so extrem verdichten muss“, so Gundlach. Indes: Über das klischeeschwule Gehabe wurde Mitte der 90er doch noch mehr gelacht als heute. „Wir werden allen einen Spiegel vorhalten: den ,Heten‘, den Schwulen, bis es nicht mehr wichtig ist, was wer ist! Bis es um die Figuren geht.“

Mit denen konnte sich Weiler schnell anfreunden. „Sehr liebenswert“ findet er diese, das Stück habe viel Humor. „Eine gute Komödie kann man nicht überdreht genug machen, wir überdrehen ordentlich. Wir machen das als schrille Revue, arbeiten mit Glitter-Vorhängen, mit Nebel-Maschinen, wir machen richtig Alarm“, verrät der Regisseur.

Schauspieler von Hamburger Bühnen

Gundlach war sehr häufig dabei, als Weiler zum Vorsprechen bat. Als Hauptakteure fanden sie die in Hamburg bekannten Elias Krischke (aus „Fast Normal“ in den Kammerspielen) und Jennifer Siemann („Cindy Reller“/Schmidt Theater) sowie recht spät Jan Kersjes als komischen Norbert. Er ähnelt etwas seinem Filmvorbild Król. „Musical ist die schwierigste Form von allen. Es ist auch ein Zehnkampf für die Darsteller“, weiß Gundlach.

Sieht er einen Trend, Kinofilme als Musical umzusetzen? „70 bis 80 Prozent aller Musicals, die aus den USA oder aus England kommen, basieren auf Filmen oder auf Büchern. Musicals mit einer komplett neuen Geschichte sind die Minderheit“, sagt Gundlach. „Das hat damit zu tun, dass beim Musical so viele Baustellen zu bedienen sind, dass man gern eine Geschichte nimmt, die schon funktioniert hat.“ „Phantom der Oper“ etwa basierte auf einem Buch, „Rocky“ auf einem Film. Weiler indes setzt auf Gundlach und die Geschichte. „Das Allerwichtigste, was ich erzählen möchte, ist, dass es sich lohnt, für seine Liebe zu kämpfen. Egal, ob ein Mann einen Mann liebt, eine Frau eine Frau oder eine Frau einen Mann und umgekehrt.“ Der Autor habe ihm dabei eine „sehr schöne Aufgabe“ gestellt, indem er sehr schnelle Szenenwechsel geschrieben habe – für Theaterleute eine Herausforderung.

Und für Kinofreunde, die sich noch immer gern an Wortmanns „Der bewegte Mann“ erinnern, gibt es auch ein paar Leckerli: Die Szene mit Norbert und dem Metzger (im Film: Armin Rohde) beim Streit über Tofu-Wurst etwa ist auch Teil der Bühnenfassung. „Das wollen die Fans auch sehen“, meint Weiler.

„Der bewegte Mann“ Uraufführung Mi 26.7., 20.00, bis 13.8., Thalia Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 18,50 bis 62,50 in der HA-Geschäfts­stelle, Großer Burstah 18–32, HA-Ticket-Hotline T. 30 30 98 98