Hamburg. Am Sonnabend eröffnet das Schmidtchen. Stadtteilbühnen befürchten nun, dass Künstler zu den bekannteren Schmidt-Theatern abwandern.

Plüschiges Rot? Ist nicht! Das gab es im alten Schmidt Theater und gibt es gleich nebenan im 2005 neu eröffneten Schmidt. Und natürlich ein paar Hausnummern weiter im Schmidts Tivoli, das seit 1991 ebenfalls von Corny Littmann und Nobert Aust betrieben wird. Wenn die beiden erfolgreichen Theatermacher an diesem Sonnabend mit dem neuen Gastgeber Henning Mehrtens an den Spielbudenplatz 21/22 laden, wird an der Außenfassade – ungeachtet der Baustelle drumherum – ein rosafarbenes Logo davon künden, dass hier im Erdgeschoss das Schmidtchen eröffnet. Die dritte Bühne der Schmidt-Familie ist die erste im neuen Klubhaus St. Pauli, das im September beim Reeperbahn-Festival seinen Betrieb aufnehmen soll.

Die unverputzte Backsteinfassade im Schmidtchen aber wird bleiben. Sie erinnert mit dem, von Insidern scherzhaft „Schwimmbecken“ genannten, gefliesten und leicht abgesenkten nummerierten Sitzplatzbereich an einen New Yorker Stand-up-Club. Etwa 500.000 Euro haben Littmann und Aust investiert, frei von Subventionen.

Der Werbeslogan „Es kommt was Kleines auf Euch zu“ für das neue Theater bezieht sich daher nur auf die Saalgröße mit maximal 200 Plätzen. Entertainment wie zum Auftakt mit dem Deutschniederländer Sven Ratzke (10. bis 13. Juni), Comedy mit Altmeister Karl Dall (14.6.) und den New­comern Robert Alan und Stefan Danziger (17. bis 20.6.) sowie musikalische Komödien hat Programmchef Mirko Bott auf den Spielplan gesetzt.

Auf der Suche nach Künstlern fürs Schmidtchen war der umtriebige Bott immer mal wieder auch in den Stadtteilkulturzentren zu Gast. Zehn dieser Häuser sind jeweils Anfang Februar auch Partner beim Hamburger Comedy-Pokal mit dem Finale im Tivoli, nun aber womöglich verstärkt Konkurrenten. Schließlich entspricht die Größe einiger Säle der Stadtteilkulturzentren fast genau dem des Schmidtchens.

Petra Niemeyer, Geschäftsführerin der Bergedorfer Lola, nennt zwei wichtige Fragen, die sich mit Eröffnung des Schmidtchens stellen: „Wohin gehen die Künstler? Und wohin geht das Publikum?“ Während die Lola im Südosten Hamburgs – neben dem Haus im Park – die einzige Adresse für leichte, moderne und musikalische Unterhaltung ist, sind die Macher der city- und kieznahen Häuser schon besorgter.

Viele Überschneidungen mit Stadtteiltheatern

„Grundsätzlich freut sich ein kulturaffiner Mensch über Neueröffnungen von Theatern“, sagt Dorothée Puschmann, Veranstaltungsleiterin der Barmbeker Zinnschmelze, die erst im März nach aufwendigen Erweiterungsarbeiten einen neuen Theatersaal mit 150 Plätzen eröffnet hat. In der „Zinne“ wollen sie erst mal abwarten, Puschmann sieht aber schon jetzt „große Überschneidungen“ bei Künstlern und eine mögliche Monopolisierung. Abzuwarten sei, welche Verträge das Schmidtchen mache, was Ausschlussregelungen und Gebietsschutz betreffe.

In dieser Hinsicht hat das Schmidtchen – wie andere Theater auch – klare Regeln, an denen sich die Künstler zu halten haben. „Wer auf 15 verschiedenen Bühnen auftreten will, kann dort gern spielen, aber nicht bei uns“, sagt Mirko Bott. So gilt die Abmachung, dass ein Künstler drei Monate vor und zwei Monate nach einer Premiere oder einem Gastspiel am Spielbudenplatz nirgendwo anders im Großraum Hamburg auftritt, auch fürs Schmidtchen.

„Ob ein Künstler je wieder eine Premiere bei uns macht?“, fragt sich nicht nur die Barmbekerin Puschmann. „Wenn eine Agentur die Wahl hat, wird sie sich jetzt wohl immer gegen uns in den Stadtteilen entscheiden. Schmidt und Tivoli waren ja schon bisher die erste Adresse für Comedy und leichtes Kabarett“, sagt Peter Rautenberg vom Winterhuder Goldbekhaus, das mit der Bühne zum Hof (130) und der Halle (240 Plätze) gleich zwei Spielstätten bietet. Den originellen Berliner Kabarettisten Sebastian Nitsch etwa habe man versucht aufzubauen, bei zuletzt 35 Besuchern werde der sich aber künftig wohl fürs Schmidtchen entscheiden.

Ob die Stadtteilhäuser mit ihrem Angebot für Kleinkunst-Interessierte gleich um die Ecke mit der Schiene, vielmehr Nische „Nachwuchs“ überleben? Immer mehr Mix-Shows sind auch in Waschsalons, Bars und Friseurläden gewachsen „Meine Hoffnung ist, dass im Schmidtchen auch viele Künstler aus Hamburg auftreten“, sagt Till Frey. Der Stand-up-Comedian, Finalist des Hamburger Comedy-Pokals 2014, ist quasi ein Kind der Stadtteilkultur. Seine Solopremiere hatte er 2012 im ausverkauften ella Kulturhaus Langenhorn. Inzwischen ist Frey in neun Häusern aufgetreten, tourt mit Lokalmatadoren in der Show „Stand-up Comedy made in Hamburg“ noch über die kleinen Bühnen, spielte aber auch bereits im Schmidt in der „Schmidt Mitternachtsshow“, in der sich unter die Lauf- mitunter auch Saufkundschaft mischt. „Das Schmidtchen eröffnet eine Möglichkeit, dort längere Auftritte zu machen, etwa im Rahmen eines ,Gemischten Comedy Doppels‘“, meint Frey. Er glaubt, dass die Kulturhäuser und das Schmidtchen unterschiedliches Publikum ziehen. Frey: „Ich sehe das Schmidtchen als Erweiterung des Angebots, nicht als Konkurrenz.“

Auch das Schiff ist von der Größe her mit dem Schmidtchen vergleichbar

Heiko Schlesselmann, Geschäftsführer des Theaterschiffs im Nikolai­fleet, sieht die Eröffnung des Schmidtchens mit „gemischten Gefühlen“. „Auf der einen Seite ist es sehr gut, wenn noch nicht ganz so bekannte Künstler mit dem Marketing-Budget und der Werbekraft der Schmidt-Gruppe in der Stadt einen Namen bekommen“, sagt er. Andererseits sei das Schmidtchen auch Konkurrent um Hamburg-Auftritte von Kabarettisten und von der Größe her mit dem Schiff vergleichbar.

Apropos Kabarett. Alma Hoppes Lustspielhaus und das Polittbüro werten das Schmidtchen als Zuwachs an Vielfalt. Lustspielhaus-Intendant Nils Loenicker sieht für sein Haus „keinerlei Auswirkungen, da wir eine völlig andere Programm- und Publikumsstruktur haben“. Und: „Kiezkultur bleibt Kiezkultur: laut, schrill, nachts – Prost!“ Gunter Schmidt vom Polittbüro meint sogar: „Gemessen an anderen Städten wie Köln oder Berlin ist Hamburg immer noch unterversorgt.“ So gesehen bleibt die hiesige Kleinkunst noch länger eine größere Baustelle.

Gala Das Schmidtchen Sa 6.6., 20 Uhr (ausverk.), Spielbudenpl. 21/22, Programm ab Do 10.6., Karten zu 20,- bis 30,- unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de