Hamburg. Noch bis zum 6. Juni gibt es im Haus 73 täglich vier Vorstellungen

Manchmal reicht eine Bühne nicht aus. In ihrer „Great Democracy Show“ benutzen die vier Schauspieler der Gruppe „Sir Gabriel Dellmann e. V.“ das ganze Haus 73. Immer wieder werden die Zuschauer aufgefordert, den Akteuren zu folgen: von der Bar im ersten Stock auf die Studiobühne eine Etage höher, hinter einen dunklen Vorhang und wieder zurück. Das Thema des Abends sind Manipulations- und Überwachungsmethoden in unserer demokratischen Ordnung, es gibt Exkurse zu Werbung und zum Warencharakter unserer Gesellschaft, aber auch Selbstreflexion der Schauspieler zu ihrem eigenen Spiel und zu Fördermethoden freier Gruppen. Björn Gabriel hat das Stück für die Dortmunder Truppe geschrieben und inszeniert. Bei Kaltstart zählt der zweistündige Abend zu den bemerkenswertesten Produktion des diesjährigen Festivals.

Nicht nur durch die Ortswechsel wird das Spiel zu einem abwechslungsreichen Abend. Das Kollektiv aus Fiona Metscher, Martin Hohner, Christoph Jöde und Jennifer Frank arbeitet mit klug eingesetzten Videos, ihr Spiel hinter dem Vorhang wird von einer Kamera übertragen, die vierte Wand ist aufgehoben, die vier Schauspieler interagieren mit ihrem Publikum, schenken Wodka aus und fragen nach Ersatzbefriedigungen. Manchmal wird aus dem Spiel absurdes Theater, manchmal Parodie wie bei der Choreografie zu „Power Point Me!“. Fragen nach dem Sinn der Kunst werden gestellt und beklagt, dass es keine Feinde mehr gibt. „Früher war man gegen den Schah und gegen die Volkszählung“, schreit Christoph Jöde. Immer wieder treten die Schauspieler in einen Diskurs zu aktuellen Themen wie dem Freihandelsabkommen und der NSA-Überwachung ein. „Ich kann nicht mehr“, sagt Martin Hohner im Verlauf des Abends. Das ist eine mögliche Quintessenz aus diesen vielen Themen der „Democracy Show“: das Gefühl, ausgeliefert zu sein und nichts ändern zu können.

Das Kaltstart-Festival läuft noch bis zum 6. Juni mit täglich vier verschiedenen Vorstellungen, unter anderem mit einer Produktion von „Invasion!“ (3.6.) und einer Diskussion zwischen Ex-Thalia-Dramaturg Carl Hegemann und Ex-Schauspielhaus-Intendant Niels Peter Rudolph.