Hamburg. Die Sterne spielen ein Best-of-Konzert im ausverkauften Knust. Was an diesem Abend aber noch fehlte.
Klar, Die Sterne. Hamburger-Schule-Urgesteine, seit 32 Jahren aktiv, schon drölfzigmal live gesehen, war jedes Mal super, da macht man nichts falsch. Auch wenn die jüngste Platte „Hallo Euphoria“ auch schon über ein Jahr alt ist, auch wenn Sänger und Gitarrist Frank Spilker die gesamte Band 2018 auswechselte, sodass Die Sterne heute eher eine Spilker-Solo-Band sind: Das Knust ist ausverkauft, Spilker und Begleitung haben treue Fans. Die wissen, was sie bekommen.
Zunächst aber bekommen sie: Girlwoman, ein Bielefelder Duo, dessen dunkler Elektropop so gar nicht zum treibenden Diskursfunk der Sterne passen will. Tatsächlich aber öffnen Girlwoman dem etwas in die Jahre gekommenen Sterne-Sound eine Tür in die Gegenwart und sorgen dafür, dass der Auftritt heutiger daherkommt, als er in Wahrheit ist.
Konzert Hamburg: Frank Spilker und Kollegen spielen alte Songs mit neuer Frische
Da kann Spilker also mit den krachenden Gitarrenriffs von „Die Interessanten“ eröffnen, was immerhin 26 Jahre auf dem Buckel hat, aber klingt wie ein Song von morgen, dem zunächst mäßigen Sound zum Trotz. „Das war ein alter Song“, murmelt Spilker, „jetzt kommt noch ein alter“, „Aber andererseits“ von 2006, der freilich ebenfalls auch im Jahr 2023 eine subversive Frische beinhaltet. Was nicht zuletzt an den Kollegen liegt, die der Sänger um sich versammelt hat.
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Die bekommen die neuen Songs wie das erst als drittes Stück gespielte „Die Welt wird knusprig“ ebenso hin wie die Klassiker, spielen dicht, nah am Material – wenn man nicht wüsste, dass hier neue Musiker agieren, würde man es nicht glauben, so sehr hat die Band um Keyboarderin Dyan Valdes diese Musik, die mal Indierock ist, mal Jazz und mal Funk, verinnerlicht. Und zwar, indem sie die Titel konsequent auf ihre Tanzflächentauglichkeit abklopfen, mit zischelndem Schlagzeug und trockenem Bass. Das erwartet man beim 2010 erschienen Disco-Album „24/7“, aus dem „Depressionen aus der Hölle“ erklingt, man erwartet es nicht unbedingt dort, wo Die Sterne als Rockband auftraten, bei „Big in Berlin“ (1999) etwa. Passt aber überraschend gut.
Konzert Hamburg: Ein paar Titel fehlen an diesem Abend im Knust
Ein Best-of-Programm entspinnt sich hier, in das sich dann auch die frühen Hits einfügen, „Universal Tellerwäscher“ (1994), „Was hat dich bloß so ruiniert“ (1996). Das ist stimmig, auch wenn einem am Ende des Abends ein paar Titel fehlen, das melancholische „Bis neun bist du O.K.“ etwa. In früheren Zeiten spielten sie das gerne als Rausschmeißer, diesmal allerdings gibt es „Fickt das System“, einen uralten Song, der reizvoll mit Indeeps Discoklassiker „Last Night A DJ Saved My Life“ gekoppelt wird. Tanzen mit Köpfchen und revolutionärem Bewusstsein: toll. „Denn von allen Gedanken / Schätzen wir doch am meisten / Die Interessanten.“ Tusch!