Hamburg. Das Musical nach dem US-Film begeistert im First Stage Theater vor allem nach der Pause. Drei Akteure stechen besonders heraus.

„Hallelujah, seht ihr gut aus!“ Die Stimme, die vor der Show im First Stage aus den Lautsprechern kommt, weckt bei manchen Besuchern sofort Erinnerungen. Das kleine und kreative Hamburger Theater hat Regina Lemnitz (76), die langjährige deutsche Synchronsprecherin des US-Stars Whoopi Goldberg, zu einem Mini-Comeback (vom Band) bewegen können. Nur einer von mehreren Gags für und in „Sister Act“, das in diesem Sommer in Altona-Altstadt spielt.

Gewiss, das Musical basiert auf dem gleichnamigen komödiantischen Kinohit, der vor drei Jahrzehnten hierzulande einen Gospel-Hype ausgelöst hat. Doch wie schon bei der deutschsprachigen Erstaufführung 2010 im großen Stage Operettenhaus hat die Musik von US-Erfolgskomponist Alan Menken („Der kleine Horrorladen“, „Die Schöne und das Biest“) auch im vom großen Haus unabhängigen First Stage Theater keinerlei Bezug zum Film.

„Sister Act“ – im First Stage Theater neu zum Leben erweckt

Wohl aber die Handlung. Und so geht es für die wenig erfolgreiche Bar-Sängerin Deloris van Cartier recht bald ins Kloster – zu ihrem eigenen Schutz: Sie ist Zeugin eines Mordes geworden, verübt von ihrem Liebhaber, dem zwielichtigen Curtis Shank.

Dominique Aref, in Hamburg bereits im Engelsaal und im Schmidts Tivoli („Tschüssikowski“) zu erleben, braucht bei ihrer Premiere im First Stage nur wenig Anlaufzeit, um den widerwilligen Wechsel vom Nachtclub-Girl Deloris zur Nonne – Deckname: Mary Clarence – zu vollziehen; im rasanten, am Ende mitreißenden zweiten Akt singt sie sich völlig frei.

Femke Soetenga ragt als Mutter-Oberin-Darstellerin heraus

„Gar nicht so übel, Mutti!“, derlei Sätze hat Deloris alias Mary der Mutter Oberin zuvor an den Kopf geworfen. Die sorgt sich um das Wohl ihrer Schwestern, als die ins Kloster abkommandierte Sängerin die Nonnen statt mit Kirchenmusik mit Soul beseelt.

Femke Soetenga („Footloose“, „Evita“) ragt als im Zwiespalt steckende Mutter-Oberin-Darstellerin schauspielerisch und gesanglich heraus – ob mit Soloballaden („Hier an diesem Ort“ ) oder später im vereinten Tanz der Nonnen.

„Sister Act“ mit Anspielungen auf Barmbek-Nord und China

Jens Daryousch Ravari inszeniert den schrägen Stoff bei seinem Regiedebüt im First Stage manchmal etwas zu schrill, überzeichnet die Charaktere gern, lässt jedoch in der ursprünglich in Philadelphia spielenden Handlung auch lustige lokale Anspielungen zu – Stichwort: Barmbek-Nord. Oder baut aktuelle Globalisierungskritik ein, wenn es heißt „die Chinesen“ wollen das marode Kloster (und auch die Bar) übernehmen.

Zwei Stage-School-Absolventen stechen in „Sister Act“ heraus

So weit kommt es – gottlob – nicht. Schon mit dem „Sonntagmorgenfieber“ zu Beginn des zweiten Teils weht auf der Bühne ein frischer Wind, und es kommt richtig Bewegung (Choreografie: Doris Marlistat) hinter die Klostermauern und in die erstaunlich mobile vielschichtige Kulisse.

Unter den mehr als 20 Mitwirkenden, die meisten frische Absolventen der Stage School, können Ilias Sidi-Yacoub als Deloris nach dem Leben trachtender Bar-Besitzer Curtis Shank (im Song „Ich mach sie kalt“) und Aliosha Jorge Ungur als sie beschützender Cop Eddie „Schwitze-Fritze“ Fritzinger mit seiner komödiantischen Bühnenpräsenz zudem eigene Akzente setzen. Beide Jung-Darsteller dürften ihren Weg machen.

Und wann hat es für einen Nonnenchor, der so richtig schön schräg dissonant singt wie im ersten Akt, schon mal derart viel Zwischenbeifall gegeben? Das First Stage hat „Sister Act“ wiederentdeckt und für zweieinhalb Stunden zu neuem Leben erweckt.

„Sister Act – Das Musical“ wieder Mi 14.6., bis 18.7., und 16.8. bis 15.10., jew. 19.30 (So 15.00), First Stage Theater (Bus 16, 112, 115), Thedestr. 15, Karten ab 39,-: https://sisteract-hamburg.de