Hamburg. Beim Theaterfestival gastiert der aus dem Kino bekannte Schauspieler Christian Friedel mit Band. Publikum ist restlos begeistert.
Manchmal wünscht man sich ein Nachtsichtgerät. Auf der Kampnagelbühne k6 sind die Akteure oft nur als Silhouetten zu erkennen, nur ein paar schmale Lichtleisten auf dem Boden bieten Orientierung. Doch dieses Dunkel ist Teil von Christian Friedels Performance „Searching For William“. Dunkelheit, Chaos, Angst, Wahnsinn – so mag es auch im Kopf von Macbeth aussehen, Shakespeares König, der sich vor dem Wald von Birnam fürchtet. Woods Of Birnam hat Friedel seine Truppe genannt, mit der er in diesem Jahr zum ersten Mal beim Hamburger Theaterfestival gastiert. Seit er 2016 mit „Searching For William“ Premiere in Dresden feierte, tourt er mit seinem Shakespeare-Projekt immer wieder durch die Theater der Republik.
Theaterfestival: Der singende Schauspieler deckt musikalisch ein breites Spektrum ab
Friedels Beschäftigung mit dem englischen Dramatiker ist Konzert, Hörspiel und Bühnenzauber gleichermaßen. Shakespeares originale Sprache setzt er in Beziehung zu moderner Rockmusik. Ausschnitte aus dem Werk des Dichters hat er für Songs benutzt oder er rezitiert. Musikalisch decken der singende Schauspieler und seine vierköpfige Band ein breites Spektrum ab.
Im zweiten Akt mit Hamlet als Mittelpunkt erinnert der Sound an die brachialen Industrial-Klänge der Einstürzenden Neubauten, andere Nummern orientieren sich am Pathos von Bono und U2, auch zarte Pop-Momente gibt es, wenn Friedel mit seinem hellen, wohlklingenden Tenor singt. Doch der Abend ist überwiegend laut. Mit Stroboskop-Blitzen und anderen Lichteffekten, mit einer Nebelmaschine und schnell geschnittenen, sich überlagernden Videobildern wird das Publikum von einer Klang- und Bilderflut überwältigt.
Theaterfestival: Christian Friedel ist unter anderem aus „Babylon Berlin“ bekannt
Anfangs tritt der aus dem Kino („Das weiße Band“, „The Zone of Interest“) und von „Babylon Berlin“ bekannte Friedel mit seinen Woods Of Birnam noch aus seiner Rolle als elisabethanischer Rock-Performer heraus, wenn er eine Theaterprobe simuliert. Der erste Akt, „The Search“, zeigt die Suche nach Shakespeare-Motiven und ihre Verwandlung ins Heutige.
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Doch schon mit Akt zwei, dem „Hamlet“, taucht Friedel tief ein in die Gedanken des jungen Dänenkönigs und in eine Welt aus Mord, Verrat und Intrige. Der berühmte Satz „Etwas ist faul im Staate Dänemark“ lässt sich mühelos auf die Gegenwart übertragen, Videos von marschierenden Soldaten unterstreichen die Aussage, es folgt ein Geräuschinferno mit knatternden Hubschraubern. Coppolas Vietnamfilm „Apocalypse Now!“ lässt grüßen.
Nach zweieinhalb Stunden und einer von Friedel schon als „kitschig“ angekündigten Zugabe endet die Suche nach Shakespeare. Das Publikum feiert den Schauspieler und seine Band restlos begeistert.