Hamburg. Im Theaterstück „Das Jüngste Gericht“ werden Schülerinnen und Schüler selbst zu Akteuren und Mitentwicklern – so aufgeweckt wie unterhaltsam.

Mit dem Verhältnis von Eltern und Kindern ist es ja so eine Sache. Die einen sagen, wo es langgeht – und die anderen? Tja, was denken die eigentlich?

Selten hat man die Frage, wer eigentlich die Macht hat, so aufgeweckt, kenntnisreich, unterhaltsam und gleichzeitig so voller Spielfreude und Fantasie verhandelt gesehen, wie in der Theaterperformance „Das Jüngste Gericht“, die jetzt im Jungen Schauspielhaus ihre Uraufführung erlebte. Ein besonders gelungenes Beispiel in der beliebten Reihe der SchauSpielRaum-Produktionen, bei denen Schülerinnen und Schüler selbst zu Akteuren und Mitentwicklern der Stücke werden.

Junges Schauspielhaus: Kinder zwischen acht und elf Jahren stehen auf der Bühne

Ein großer hölzerner Schranktisch ruht auf der Bühne. Dahinter erhebt sich eine gemalte Wolkenwand (Bühne: Anja Ruschival). Hände tasten sich an dem Tisch entlang. Beine klappen hoch. Und dann stehen da in farbenfrohen Sportkostümen neun Kinder zwischen acht und elf Jahren und schauen das Publikum herausfordernd und selbstbewusst an.

Eine junge Richterin erklärt, worum es geht. Ein neuer Verhandlungstag des Jüngsten Gerichts bricht an, also in diesem Fall: eines Gerichts, in dem die jüngsten Gesellschaftsmitglieder vertreten sind. Und darin soll es um das Dürfen und das Nicht-Dürfen gehen. Um das Bestimmen und das Bestimmt-Werden. Darum, wie es ist, aber auch wie es anders sein könnte.

Theater in Hamburg: Bewaffnete Roboter entsorgen Menschen auf den Müll

Unter der künstlerischen Leitung von Till Wiebel ist Erstaunliches entstanden. Erst nehmen die jungen Performerinnen und Performer dem Publikum gleich eine Reihe sehr komischer Schwüre ab. Dann wieder frieren sie ihre Bewegungen ein, um etwa den Kontrollverlust Erwachsener zu demonstrieren, die sich in den Weiten des Internets verloren haben.

Krisen und Probleme gibt es für dieses „Jüngste Gericht“ reichlich zu lösen – kleine private aber auch ganz große, die Menschheit betreffende: nervige große Brüder und kleine Schwestern, ungeliebte Fächer und Lehrer, aber auch den Klimawandel, der den Wolkenhimmel bald glutrot färbt, oder Menschen, die von bewaffneten Robotern aus den Städten auf die Halden ihres eigenen Mülls entsorgt werden.

Theater in Hamburg: Für Ordnung sorgt eine Klempner-Armee

Die jungen Richterinnen und Richter, von den Erwachsenen um Hilfe angefleht, werfen sich fantasievolle Roben über (Kostüme: Hanna Roxane Scherwinski), gehen an die Arbeit und imaginieren eine Utopie: Nahrungsmittel, Umwelt, Gerechtigkeit. Ein Leben, in dem Reinigungskräfte am meisten und Profi-Fußballer am wenigsten verdienen. Für Ordnung sorgt eine Klempner-Armee.

Das Ensemble präsentiert diese gewitzte, kluge Textcollage am Jungen Schauspielhaus so überzeugend, dass man keine Sekunde daran zweifelt, dass es sie auch durchdrungen hat – manches klingt fast ein wenig altklug. Es ist eine grandiose Form der Selbstermächtigung, die natürlich in sich selbst auch wieder eine Utopie darstellt.

Denn am Ende sind es eben doch Kinder, die hier agieren – und eines Tages ausgerechnet über einen Fall von Kindheitsdiebstahl zu Gericht sitzen. Das bedeutet: Zeugen anhören, Akten wälzen.

Es gipfelt in der berechtigten Frage, warum eigentlich die Kinder all diese Probleme lösen müssen. Denn Kinder sollen ja vor allem eines: Kind sein, spielen und zu dem eigenwilligen Hit „Mach die Robbe“ einen kuriosen Tanz aufführen. Unbedingt sehenswert.

„Das Jüngste Gericht“ weitere Vorstellungen 27.5., 16 Uhr, 28.5., 15 Uhr, Kinder ab acht Jahren, empfohlen für Klassenstufen 3 bis 6, Junges Schauspielhaus, Wiesendamm 28, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de