Hamburg. „De Heven schall töven“ feiert im Ohnsorg plattdeutsche Erstaufführung. Meike Harten inszeniert die Anti-Rassismus-Komödie.

Vor 25 Jahren brachte der Kölner Kabarettist Thomas Reis, ein scharfzüngiger und analytischer Wortakrobat badischer Herkunft, sein Programm „Ein Schwein wird Metzger“ auf die Bühne. Das Stück über die Metamorphose eines Mannes aus der Babyboomer-Generation wurde unter anderem mit dem Paulaner Solo ausgezeichnet.

Die Figur Willi Reeders ist zwar kein Schwein, jedoch ein mehrfach prämierter Schlachtermeister aus der norddeutschen Provinz, privat indes ein Tyrann, ja Rassist. Als solcher steht er jetzt im Zentrum des Stücks „De Heven schall töven“, dessen plattdeutsche Erstaufführung zu Pfingsten im Ohnsorg-Theater mit viel Beifall bedacht wurde.

Es war die erste Premiere nach der überraschenden Wahl des anwesenden Ex-Ensemble-Mitglieds Sandra Keck zur Vorsitzenden des Aufsichtsrats im Verein Niederdeutsche Bühne Hamburg, dem Eigentümer des Theaters. Im Hintergrund schwelt ein Streit über den wohlüberlegten Modernisierungskurs des Intendanten Michael Lang und um womöglich zu viele hochdeutsche Anteile in den Stücken des Volkstheaters.

Ohnsorg: Erste Premiere nach dem Streit plädiert für Toleranz

In „De Heven schall töven“ gibt es in Peter Nissens Übersetzung darüber kaum Diskussionen. In dieser Komödie, die auf dem in Bayern spielenden Film „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ beruht und schon in vielen deutschen Theatern zu sehen war, wird nur vor Gericht Hochdeutsch gesprochen. Und von Alpha Kitenge, einem Asylbewerber aus dem Kongo.

Dieser hilft Willis Tochter Elli (resolut gut: Rabea Lübbe) in der kriselnden Schlachterei, da ihr Vater nach einem Schlaganfall nicht wieder richtig auf die Beine kommt. Als Willi beim Gerangel um das Wechseln einer Glühbirne einen Stromschlag erhält und diesen nicht überlebt, wird ausgerechnet Alpha zu Willis Medium, um auf der Erde sein Lebenswerk vor dem Ruin zu retten. Nichts mit Voodoo.

Asylbewerber Alpha hilft Stinkstiefel Willi, ein besserer Mensch zu werden

Oskar Ketelhut spielt den Stinkstiefel Willi, dem es niemand recht machen kann, gekonnt herablassend und am Ende nicht nur äußerlich wie ein Halbgott in Weiß. Willi wird zu Alphas Einflüsterer, Quatis Tarkington, der den Alpha anfangs etwas zu klischeehaft zeichnet, gewinnt im Laufe des Stücks mehr und mehr an Statur, hilft seinem Dienstherrn von oben sogar lächelnd, ihn zu einem etwas besseren Menschen zu machen.

Wie überhaupt die zweite Hälfte dieses Plädoyers für Toleranz und gegen Rassismus mehr überzeugt als die recht zähe erste. Regisseurin Meike Harten, gewohnt feinfühlig in der Schauspielerführung, hat mithilfe von Dramaturgin Cornelia Stein für die Bühnenfassung des Films gleich 22 Bilder zusammengefügt, noch unterstützt vom musikalischen Leiter Florian Miro.

Und so kommen dann auch Cem Lukas Yeginer (als Ellis Bruder Oskar) und Julia Kemp (als dessen Frau Chantal) in der Rolle des Erbschleicher-Pärchens noch richtig zum Spielen. Gilt ohnehin für den mehrmals mit Szenenbeifall bedachten Ohnsorg-Ausnahmekomödianten Erkki Hopf in mehreren Nebenrollen, etwa als Schlachterei-Kundin Frau Frischbier oder als Hopf mit Zopf (und roter Perücke) in der Rolle des Herrn Graesmann vom Arbeitsamt.

Ohnsorg: Künstlerischer Leiter hält Premierenansprache anstelle von Chef Lang

Peter Lehmann (Kostüme und Maske) sorgt mit seinen schrillen Kostümen für zusätzliches Augenzwinkern beim ernsten Thema Rassismus, doch für eine vollends überzeugende aktuelle Satire taugt „De Heven schall töven“ nicht. Die Filmvorlage ist schließlich auch schon zehn Jahre alt; das Ohnsorg wollte das Stück bereits 2019/20 aufführen und gegenüber dem Drei Masken Verlag aus München seinen Vertrag erfüllen.

Das will bis Sommer 2024 auch der künstlerische Leiter Murat Yeginer. Anstelle des noch krankgeschriebenen Ohnsorg-Intendanten Michael Lang hielt er auf der Bühne die Premierenansprache: „Von hier aus gute Besserung, lieber Michael Lang, komm bald wieder, das Ohnsorg-Theater braucht dich“, sagte Yeginer. Auch dafür gab es viel Beifall.

„De Heven schall töven“ wieder Mi 31.5., 19.30, bis 2.7., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 22,- bis 35,50: T. 040-35 08 03 21; www.ohnsorg.de