Hamburg. Zwei junge Menschen verlieben sich – mitten in einer Dystopie. Eine Geschichte zwischen Leichtigkeit und finsterer Realität.

Das Licht ist schummrig, zwei junge Menschen sitzen auf dem Boden, eng umschlungen. Ein Lächeln liegt auf den Gesichtern, die in sanftes Blau getaucht sind. Hinter ihnen spielt ein Video. Wie ein Einblick in ihre eigene kleine Fantasiewelt. Helios und Luna laufen über den Hamburger Dom, Hand in Hand, ein Blick vom Riesenrad, ein Kuss inmitten der bunten Lichter.

Es sind Erinnerungen an Momente, die es nie gegeben hat. Denn ihre Leichtigkeit ist eine Illusion – und sie droht jede Minute zu zerbrechen. Die Nachwuchsschauspielenden Josephine Bartels und Fynn Knorr präsentieren mit „Helios und Luna“ im Mut! Theater im Schanzenviertel ihre erste eigene, freie Theaterproduktion unter Regie von Adele Vorauer – und erzählen dabei die Geschichte zweier junger Menschen, die sich mitten im Weltuntergang aneinander festhalten. Solange es geht. Ein Bild, das mit Blick auf den Klimawandel, Kriege, politische Unterdrückung in vielen Ländern der Welt nicht aktueller sein könnte.

Mut! Theater: Helios und Luna leben in einer Dystopie

Denn die beiden sind gefangen in einer Dystopie: Das Licht der Welt ist erloschen und niemand weiß, warum. Draußen herrscht ewige Finsternis, eine leblose Welt, in der keine Seele unbeschadet bleibt. Helios und Luna lassen das nicht an sich ran. Zu schön ist es in der Blase, die sie sich aufgebaut haben: In einem kleinen Raum aus Leidenschaft und ihrer unermesslichen Liebe zur Literatur, der sie sich gemeinsam hingeben.

Josephine Bartels und Fynn Knorr spielen die jungen Liebenden Helios und Luna.
Josephine Bartels und Fynn Knorr spielen die jungen Liebenden Helios und Luna. © Timo Knorr

Das junge Schauspielduo schafft es mit beeindruckender Präzision, ihre tiefe Verbindung auf die kleine Bühne zu bringen – immer im Schatten der dunklen Welt, die draußen lauert. Es ist pure Energie die die beiden ausstrahlen und doch kreieren sie eine intime Atmosphäre. Sie spielen sanft, mutig und genial komisch.

Das Duo beeindruckt mit Tanz und Gesang

Der Mittelpunkt ihrer Zweisamkeit: ein aufgepustetes, orangefarbenes Gummi-Sofa. Sie lesen einander vor, bewerfen sich mit Poesie, essen Gewürzgurken und haben nur Augen für den jeweils anderen. Die Kombination aus knalligen Technosounds, sanften Beats und fließenden Choreographien lässt einen kaum einmal wegschauen.

Was aus einer skurrilen Situation erwächst, wird zu einer wunderschönen tiefen Verbindung, die das Ensemble mit eigener Musik und ästhetischem Tanz untermalt. Man wird nahezu neidisch auf das, was Helios und Luna mit all ihren Facetten zusammenhält.

Fast ein bisschen zu perfekt, fast ein bisschen kitschig, wirkt ihre Beziehung inmitten des Untergangs – und das ist sie auch: Zu schön, um wahr zu sein. Denn nachdem Luna einmal die Dunkelheit erblickt hat, schlägt die Stimmung um. Die Blase, die sie sich mit Helios aufgebaut hat, zerplatzt und die beiden versuchen verzweifelt einander festzuhalten. Doch die Realität hat sie längst eingeholt.

Mut! Theater: Das Stück punktet mit Tiefsinn und Leichtigkeit

Die Produktion „Helios und Luna“ überzeugt mit präzisem Schauspiel, ästhetischen Choreografien und tiefsinniger Ernsthaftigkeit und trotzdem transportiert das Ensemble zeitweise eine wunderschöne Leichtigkeit, die im Kopf bleibt.

Am Ende bleibt ein Bild der Verzweiflung. Und die Frage: Wie unbeschwert können junge Menschen überhaupt noch sein, in einer Welt, die spätestens in den nächsten Jahrzehnten unwiederbringlich auf einen Abgrund zusteuert?

Helios und Luna, Fr 12.05, 19.30 Uhr und Sa 13.05, 19.30 Uhr, Mut! Theater, Amandastraße 58, Karten unter www.muttheater.de