Rostock. Vor dem letzten Konzertsommer der Band bekommen Rostocker Fans einen eingeschenkt. Sind die wahnsinnig geworden? „Jein!“

„Fettes Brot, was’n das für’n Name? Hört sich an wie irgendeine dumme Brot-Reklame“, fragte sich das noch junge Hip-Hop-Deutschland vor 30 Jahren, als die ersten Tracks von Fettes Brot auf Tapes und Samplern wie „Endzeit 93“ erschienen. Aber schon wenig später wussten alle Bescheid: Dokter Renz, König Boris und Björn Beton waren drei neue „Mitschnacker“ im Game.

Sie kamen zwar nicht aus St. Pauli, Eimsbüttel oder Wilhelmsburg, sondern aus Halstenbek, Schenefeld und Pinneberg, aber „Nordish By Nature“ genug, um als Hamburger Rapper eingemeindet zu werden. Keine harten Jungs, aber „cool, geil, bombastisch und witzig“, wie sie sich selbst in „Die Definition von Fett“ beschrieben.

Fettes Brot starten Abschiedstour in Rostock – Finale in Hamburg

Aber genug ist genug. Nach drei Jahrzehnten und neun Alben mit dem gemeinsamen Qualitätssiegel „Außen Top Hits, innen Geschmack“ kündigte Fettes Brot mit einer Riesensause mit Gratiskonzerten im Hamburger Hafen im August 2022 das Ende an. Noch eine Best-of-Platte („History“), noch eine Tour und dann ist der Ofen aus.

In Rostocks Stadthalle beginnt am Mittwoch nach einem Aufwärm-Gig vor 700 spontanen Glücklichen im Gladhouse Cottbus am Abend zuvor die „Fettes Brot … is History“-Abschiedstournee, die am 1. und 2. September auf der ausverkauften Trabrennbahn vor jeweils 25.000 Fans enden wird.

Fettes Brot beim Konzert in Rostock – maritim auf dem Kutter.
Fettes Brot beim Konzert in Rostock – maritim auf dem Kutter. © dpa | Danny Gohlke

In Rostock gibt es am Abend noch ein paar Karten an der Abendkasse, auch für weitere, teilweise in größere Hallen verlegte Shows in Dortmund, Bremen, Frankfurt, Leipzig, Köln, München, Hannover, Stuttgart und Kiel sind noch Tickets erhältlich. Die gehen vielleicht nicht so weg wie warme Semmeln wie bei den Heimspielen, aber „Drei sind eine Party“, und in Rostock sind gut 6000 Fans dabei.

Fettes Brot: Bei „Jein“ singt die Stadthalle jede Zeile mit

Und die kriegen zu Beginn nach einer fünfminütigen Retro-Bildershow gleich einen eingeschenkt: Dokter Renz, König Boris und Björn Beton beginnen einfach mal mit ihrem größten Hit: „Es ist 1996: Meine Freundin ist weg und bräunt sich in der Südsee.“

Die sind wohl wahnsinnig geworden, den gleich am Anfang zu verschenken? „Jein“. Die Stadthalle singt jede Zeile komplett mit. Es gibt ja auch noch viel weiteres Gebäck, knapp 25 Tracks werden von DJ exel. Pauly auf die Teller geschoben, unterstützt von einer sechsköpfigen Liveband.

Die Beats bolzen brutal in die Mägen in der Stadthalle, „Erdbeben“ ist das Stichwort, und auch wenn die „wunderschöne intime Clubatmosphäre“, die die Brote mit dem Kopf noch in Cottbus loben, natürlich nur ein Scherz ist, schrumpfen die Dimensionen und fokussieren sich auf das Trio, das vor und auf einer Holz-Dampferkulisse tanzt und rappt. Das nächste Erdbeben rumpelt, als die Halle bei „Wackelige Angelegenheit“ hüpft.

Mit Fettes Brot sagt eine Band in Hochform adios

„Hamburg Calling“: Noch ist es nicht so weit, noch sind die finalen Konzerte einen Sommer entfernt. Aber man darf schon jetzt traurig sein, hier sagt eine Band in Hochform adios mit „The Grosser“, dem uralten „Wär’ das nicht derbe?“, „Für immer immer“, „Amsterdam“ und „Da draussen“ – Zeitreisen, Zeitspringen. „Danke, dass ihr uns die ganze lange Zeit begleitet habt.“ Bitte!

Mit einer Verwandlung in ein Punk-Trio nach langer Umbaupause geht es für die Herren Renz, Beton und Boris an Gitarre, Bass und Schlagzeug mit „Trotzdem“ und „Brot weint nicht“ schräg auf die Zielgerade. Sicher nicht der Höhepunkt des Abends, das Publikum würde diesen Abschnitt nicht vermissen, wie die müden Reaktionen zeigen. Versuch macht klug.

Aber „schon Störtebeker wusste, dass der Norden rockt, und hat mit seinem Kahn hier gleich angedockt“, auch Rostock macht dem Status als Hansestadt bei „Bettina“ alle Ehre. Nach zwei Stunden geht es mit „Schwule Mädchen“ in den abschließenden Kampfeinsatz als Massenchor. Ein Abriss, der einen wirklich am Abschiedsplan zweifeln lässt. Applaus ist doch das Brot der Brote!