Hamburg. Wahlhamburger erfüllt sich endlich den Traum eines Konzerts in der Barclays Arena. 4000 Fans träumen mit – und ein Gaststar auch.
Wenn Max Giesinger tanzt, ist er nicht woanders, sondern am Mittwoch in der Barclays Arena. Es war kein besonders langer, aber dennoch teilweise steiniger Weg für den in Waldbronn geborenen Wahlhamburger zu seinem bislang größten Heimspiel.
Seit seinem Debütalbum „Laufen lernen“ 2014 hat sich Giesinger von Prinzenbar (das war allerdings noch 2013), Stage Club und Mojo Club, Fabrik und Freiheit und Stadtpark und Sporthalle immer weiter hochgespielt, angetrieben vom Platinalbum „Der Junge, der rennt“ 2016 und dem Top-Ten-Nachfolger „Die Reise“ 2018. Aber dann kam die Pandemie, die Giesinger zwar auf Steinwerder mit Autokino-Konzert und einem Open-Air sowie dem Album „Vier“ überbrückte, aber doch ein heftiger Schlag war.
Max Giesinger hat sich extra nicht herausgeputzt
Jetzt ist er nach jahrelanger Verschiebung da, auf der ganz großen Bühne, und hat sich für sein angeblich 25. Konzert in Hamburg sogar extra nicht herausgeputzt. Ausgebeulte Chinos und Schlabberhemd betonen den von ihm angekündigten „gemütlichen Abend“, als er beim Auftakt mit „Das Wunder sind wir“ mit umgehängter Gibson Les Paul hinter dem fallenden Vorhang wartet. Seine fünfköpfige Band geht gleich in die Vollen und knapp 4000 Fans rudern sich schon mal die Armgelenke warm. Sicher wurden mehr Leute in der künstlich verkleinerten Arena erwartet.
Aber es ist wie es ist, Giesinger spielte seinerzeit sogar auf Tupperpartys, um sein Debüt zu finanzieren. „Es gab eine Phase, da wollte keine Plattenfirma mit mir arbeiten“, erinnert sich Giesinger, „wir haben dann viele Wohnzimmerkonzerte gespielt und sind quer durch die Republik getingelt. So habe ich auch die Faszination Tupperware kennengelernt und bin jetzt auch ein Suchti. Ich sammel das Zeug wie ein Messie“, scherzt er, aber er kennt auch die Wahrheit, die dahinter steckt. Frustriert vom Schulalltag war seine Gitarre als Jugendlicher die einzige Freude, die einzige Perspektive. Lege ein Brett über zwei Bierkisten und stelle ein Mikro hin und er wird abliefern.
Max Giesinger begrüßt Top-Fans per Handschlag
So macht man sich viele Freunde. Giesinger begrüßt die ersten Reihen mit Handschlag, Selfies und Bussis. Nicht wenige der Allesfahrerinnen, die ihm seit Wochen die komplette Tour entlang hinterherreisen, kennt er offensichtlich schon mit Namen. Von denen spekulieren einige vor Konzertbeginn im Umlauf, wer an so einem besonderen Abend vielleicht als Überraschungsgast auftauchen könnte. Michael Schulte, Giesingers ehemaliger WG-Kumpel auf St. Pauli? Lotte, seine Duettpartnerin bei „Auf das, was da noch kommt“? Johannes Oerding? Wincent Weiss? Man weiß es nicht.
„Legenden“, „Die Reise“ und „Nicht so schnell“ werden in den Raum geschickt, und schnell fällt auf, dass Giesingers Songs in ihrer DNA schon immer für diese Dimensionen gedacht waren. Lieder, die das Gemeinschaftsgefühl wecken, sich gegenseitig unterhaken, an die Hand nehmen und umarmen. So wie Liebespaare oder Saufikumpels nach dem entscheidenden Tor, es gibt ja Situationen im Leben, da macht es keinen Unterschied.
Johannes Strate hilft bei „Echt“-Cover aus
Und mittlerweile hat Max Giesinger genug Lieder im Portfolio, um einen Hit wie „Wenn sie tanzt“ gleich im ersten Konzertdrittel im Luftschlangenregen zu präsentieren. Das hebt die Laune im Saal auf ein Niveau, um mal dynamisch und vorwärts drängend, mal beschaulich auf der Zweitbühne in der Saalmitte bis zum Mottosong der Tour „Irgendwann ist jetzt“ auf irgendeiner Primzahlwolke (Wolke sieben, Wolke elf) dahinzuschweben. Das gut pumpende „Auf das, was da noch kommt“ ist ein Höhepunkt der Show, auch wenn Lotte schon mal nicht dabei ist.
Wie bei seinen Konzerten üblich, werfen Giesinger und Band auch wieder die „Thai Oase“-Karaokephase an mit an jedem Konzertort wechselnden, per Zettel ausgelosten Coverversionen. von AC/DC bis Journey. Dieses Mal sind es „If You Don’t Know Me By Now“ von Harold Melvin And The Blue Notes, das durch Simply Red populär gemacht wurde, und „Freunde bleiben“ von Revolverheld. „Zufällig“ ist Revolverheld-Sänger Johannes Strate in der Arena und kommt auf die Bühne, auch bei „Du trägst keine Liebe in dir“ von Echt. Damit wäre die Gaststar-Frage geklärt, die beiden sind eng befreundet.
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Nach „Zuhause“ kommt mit drei Zugaben „Das letzte Prozent“ dieses Abends. Die 4000 klingen bei „80 Millionen“ zumindest wie 80.000, bevor sie sich nach 105 Minuten und „Für immer“ auf den Heimweg vom Heimspiel machen. Für Fußballfans ist der nicht immer schön, aber die von Max Giesinger sehen glücklich aus. War ja auch ein feiner, gemütlicher Partyabend. Ja, sowas gibt es.