Bei seinem umjubelten Auftritt in der Hamburger Barclays Arena wurde klar: Es gibt sie noch, die Magie von einst.

  • Robbie Williams in der Barclays Arena – 12.000 im Robbie-Delirium
  • Die Magie von einst ist immer noch da
  • Rückkehr auf die große Bühne wird zum Triumph

Hamburg. Sieben nach neun, Showtime! Zuerst ist dieser Immer-noch-Popsuperstar, was soll er sonst sein, lediglich als Silhouette zu sehen, die hinter der Band aufsteigt, standesgemäß aber in Elvis-Pose. Die Band verrichtet schon ihren Job, Robbie Williams macht seinen Soundcheck, „Two, one-two“, und sein Kirmessong „Hey Wow Yeah Yeah“ wird dann ins Publikum gedübelt, ins Jubelmeer der Konzerteröffnung. Ein angemessener Empfang in Hamburg für diesen großen Sohn des Pop.

Sängerinnen und Tänzerinnen geben diesem ganz sicher zum Songmittelmaß im Williams-Oeuvre gehörenden Stück Power. Und immerhin stammt es vom Album „Take the Crown“. Abgedankt hat der Unterhaltungskönig Williams nie.

Robbie Williams gibt drei Konzerte in Hamburg

Aber er will, 20 Jahre nach den Knebworth- und europaweiten Stadionkonzerten, seine Shows nicht mehr direkt mit „Let Me Entertain You“ eröffnen. Damals seilte sich der für ein, zwei Sommer tatsächlich allergrößte Entertainer des Planeten kopfüber auf die Bühne ab. Heute, mit 48, macht er das nicht mehr.

Am Mittwochabend, beim ersten von drei Hamburg-Auftritten (es folgen noch die am 2. Februar und 24. Februar), liefert Williams seine Signaturhymne jedoch gleich nach dem Intro ab. Ganz klar: Es gibt sie noch, die Magie von einst. Sie ist nun graumeliert, aber einen schulterfreien Glitzerfummel kann sie wahrscheinlich besser tragen denn je. Robbie is back.

Robbie Williams bei seinem Konzert in Hamburg: Tatsächlich ein Triumph.
Robbie Williams bei seinem Konzert in Hamburg: Tatsächlich ein Triumph. © HA | Marcelo Hernandez

Und in Hamburg, nach einem Auftritt im November im Hochkulturtempel Elbphilharmonie, erst jetzt so richtig. Der Halligalli-Robbie braucht mehr Auslauf als das Minirund auf der Klassikbühne. Und wenn es nur ein kleiner Laufsteg in die Frontreihen des stehenden Teils des Publikums ist. Den stürmt Williams früh, am Anfang übrigens mit Bühnentechniker am Gesäß – Mikroprobleme. Kann man nicht brauchen als Showman. Nach dem Cover von "Land of 1000 Dances" geht Williams dann richtig in die Knie, ob gespielt oder nicht; auf das deutsche "Scheiße" folgt die Erklärung "It's long covid, not middle age". Schiebe bloß keiner (angebliche) Konditionsprobleme auf das fortgeschrittene Alter.

Man kann schnell besichtigen, was Williams zum Mann des Volkes gemacht hat. Die Songs sind es, aber auch die selbstironische Knuffigkeit, die Ansprache des Bengels ("Ich liebe euch, you fuckers") mit der immer auf der Bühne ausgelebten emotionalen Bedürftigkeit. Wer wollte sie diesem Mann versagen, hinter dessen prima zurechtgelegten Sätzen ("33 Jahre im Business, die höchsten Höhen, die tiefsten Tiefen, das hier ist Therapie für mich und Unterhaltung für euch") man nichts anderes als Authentizität vermutet.

Robbie Williams: Take That sparte er nicht aus

Die Dämonen von einst hat er längst vertrieben, und so ist die aktuelle Tour auch eine fröhliche Revue durch die die Untiefen der Karriere. Viele Bezüge auf die Anfangsjahre, oft komisch ("Sex ist etwas, was wir in den Neunzigern hatten. Ist hier jemand aus den Neunzigern?"), nie bitter. Auch nicht in Bezug auf Take That. Williams besucht diesen Teil seiner Künstlerbiografie konsequenterweise zweimal. Zeigt das erste Musikvideo, über das man sich tatsächlich nur lustig machen kann. Ja, diese Zeit, in der Mädchen Stofftiere warfen und Boybands die natürlichste Sache der Welt waren, jene Neunzigerjahre, deren Revival längst begonnen hat – lange her. "Could It Be Magic" wird dennoch nur angespielt; da wächst man wohl auf beiden Seiten raus.

Dann aber „The Flood“ aus der Zeit, als aus Mädchen Frauen geworden waren, die einmal noch Take That wiedervereint mit dem verlorenen Sohn Robbie wiedererleben wollten. Auch schon mehr als ein Jahrzehnt her. In Hamburg muss das an diesem Abend alles genau so sein, denn nur das ist der ganze Robbie.

Es wirkt ganz so, als würde er die Retortenvergangenheit, aus der er sich einst so fulminant befreite, mit heute bester Laune immer noch brauchen, als Spiegel, in den er blickt, um seinen Weg als selbstbestimmter Künstler zu illustrieren.

Robbie Williams hat es noch drauf

Überraschend zwischen diesen Stücken die Coverversion von „Don’t Look Back in Anger“. Oder eben nicht, halt ein programmatischer Song, stimmlich versiert dargeboten von einem auch körperlich doch fitten Mann, der sich früh Suff und Pillen verzeihen musste, um heute nicht einmal mehr zu rauchen. Seine Sucht sei jetzt Online-Golf, hat er vor einiger Zeit mal erzählt. Von Maßlosigkeiten anderer Art – zu viel essen, an Ufos glauben – berichtete Robbie noch viel früher. Umso schöner, dass seine Performance in Hamburg so geerdet ist. Der Mann weiß immer noch, wie man 12.000 in Wallung bringt.

Vielleicht war niemals vorher ein auch selbstquälerisches Werk – „Come Undone“, „Feel“ – so sehr geeignet, die Leute mitzureißen. Es klappt in der Barclays sehr gut. Und sollte man vielleicht zwischendurch denken, dass diesem Abend nur eines fehlt, eine bestimmte gegenwartsgeile Aura, dann verflüchtigt sich das. Heute muss man nicht mehr, um das pure Jetzt zu inhalieren, den popkulturellen Augenblick, wo Zeitgeist und Jungsein dasselbe sind, auf ein Konzert von Robbie Williams gehen. Es ist ganz sicher nicht mehr 2003. Aber das Zurückblicken, von Williams auf seine vielleicht tatsächlich unnachahmliche Weise zelebriert, ist fraglos auch ein Erlebnis.

Und deshalb ist die manchmal nicht ganz leicht erträgliche Angekommensein-Ode „Love My Life“ dieses Mal total willkommen und die neue Version – auf der Videoleinwand sind die Streicherinnen und Streicher, die Williams für sich entdeckt hat – von "Eternity" halt auch.

Robbie Williams begeistert Hamburg mit „Angels“

Das Klischee, Robbie-Williams-Fans seien viel eher weiblich als männlich, stimmte ab einem bestimmten Zeitpunkt immer nur halb. Schon vor Jahrzehnten kamen zum Nach-Take-That-Solisten Männer nicht nur wegen ihren Partnerinnen. Sondern weil sie, neben Songs und Bühnentauglichkeit, beim zwischen Größenwahn und Selbstverzweiflung changierenden Suchtpatienten Williams wenn nicht unbedingt ein Identifikationsmodell, so doch den Bestunterhalter für alle Lebenslagen fanden. In der Barclays sind an diesem Abend viele Männer.

„Rock DJ“, von Williams würdevoll vorgetragen, beendet den regulären Teil. Danach, in den neuen, selbstverständlich streng genommen verzichtbaren Versionen, schenkt Williams, dem man immer noch sowieso alles verzeiht, noch „No Regrets“, „She’s the One“ und „Angels“ her. Im Umhang über entblößter Brust, oder ist es ein Bademantel? Der verbale Seelenstriptease, einmal mehr: Williams erzählt, warum er überhaupt noch da ist – wegen der Liebe seines Publikums.

„Angels“ ist tatsächlich das Lied, in der die Zeit stillsteht. Man dreht sich um, man blickt nach links, man blickt nach rechts, und ein in Hamburg versammelter Chor singt mit voller Seele das englische Lied von den „places“, an die wir gehen, wenn wir „grey and old“ sind; „and when love is dead/I’m loving angels instead“. Kitsch kann ganz wunderbar sein.

Robbie Williams versetzt Hamburg ins Delirium

Ganz zum Schluss wird A cappella gesungen. Alle sind dann noch mal im Robbie-Delirium. Die Rückkehr des ewig jungenhaften Unterhalters, der mal gesagt hat, dass die Bühne ein einsamer Ort sein kann, und sich dann doch immer jede Riesenhalle und jedes Open-Air-Publikum untertan gemacht hat: Diese Rückkehr ist ein Triumph. Robbie bleibt der King. Nimm das, Harry Styles!