Pepe Danquarts Filmporträt über den wichtigen Hamburger Gegenwartsmaler ist sehr unterhaltsam und persönlich geworden.
Warum dieser Film, wird gleich zu Anfang der Protagonist selbst gefragt. Und Daniel Richter, 60, um den es in „Daniel Richter“ geht, antwortet sehr ausschweifend (dies übrigens laut Künstlerkollege Jonathan Meese eine der typischen Eigenschaften Richters, „er labert gerne“), dass ein Film über die Produktion von Kunst bestenfalls dazu führen könne, anderen Menschen die Faszination für Kunst nahezubringen. Ob das gelinge? Keine Ahnung, antwortet Richter sich selbst, auch dies im typisch lakonischen Jargon mit deutlichem Hamburg-Einschlag.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es gelingt. Der Film von Pepe Danquart („Höllentour“) bringt einem die Magie, die Leidenschaft, die Erfolg, aber eben auch Leiden schafft, nahe. Mit Kunst auf Kunst zu antworten, ist hier das richtige Mittel. Denn nicht nur Richters Schaffen wird im Film virtuos und glaubhaft inszeniert. Auch die Schauplätze, Hamburg, Berlin, Paris, New York, tauchen in tollen Bildern mit ungewöhnlichen Perspektiven auf. Die meiste Zeit verbringen Regisseur und Kamerateam mit dem Künstler allerdings in dessen Berliner Atelier.
"Daniel Richter" im Kino: So arbeitet der Maler in seinem Atelier
Großformatige Leinwände lehnen dort an den Wänden, manche noch weiß, auf anderen meint man, Frauenkörper in allen möglichen Bewegungen in Orange, Gelb, Rot, Hellblau zu erkennen. Richter nähert sich ihnen mal ruhig und konzentriert, mal tänzelnd wie ein Boxer, der seinen Gegner taxiert. Mit einem Spachtel trägt er die Ölfarben auf, erst in geordneten horizontalen Streifen, um einen monochromen Hintergrund zu schaffen, dann fügt er, einer Vorzeichnung folgend, Formen und geometrische Linien hinzu.
Zwei kleine, vorwitzige Papageien fliegen ihm immer wieder auf die behandschuhten Hände oder sitzen auf dem Rand der Leinwände, ab und zu verscheucht der Künstler sie behutsam. Immer tönt Musik aus den Boxen, Jazz, Punk. Zwischendurch wird Kopfstand auf einer Yogamatte gemacht.
Diese ewigen Linien zu ziehen sei „wahnsinnig langweilig“
Es bringt Spaß, Richter dabei zu beobachten – ohne wirklich zu verstehen, wie diese Kunst entsteht. Wie einer inneren Stimme folgend, entstehen kraftvolle Kompositionen, die sich später, in den Ausstellungsräumen der Galerien, zu einer großen stimmigen Erzählung zusammenfügen.
Diese ewigen Linien zu ziehen sei wahnsinnig langweilig, eigentlich eine „Selbstgeißelung“, erzählt Richter auf dem Sofa lümmelnd, seine Augen blicken durch eine große, goldgerandete Fernseher-Brille. Er trägt farbverschmierte Jeans, T-Shirt, dazu Slipper aus Leder. Aber einer müsse es ja machen, er habe eben diese Nische für sich gewählt.
Als junger Mann führte Richter mal ein Musiklabel
Eine Nische, die ihn extrem erfolgreich gemacht hat. Seine Bilder, die stets zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion oszillieren, an der man so viel Symbolik, Zeitgeist und Gesellschaftskritik ablesen kann, sind in großen Museen und internationalen Sammlungen vertreten und erzielen bei Auktionen sechsstellige Summen. Dass er mal „ein gutes Leben führen“ könnte dank seiner Kunst hätte Richter selbst nie geglaubt. Wie auch?
Als junger Mann hatte Richter, durch die Hausbesetzerszene sozialisiert und politisiert, sein Geld mit dem Gestalten von Plattencovern verdient, zeitweilig ein Musiklabel geführt. Als er sich an der Hochschule für bildende Künste Hamburg für ein Malereistudium bewarb, wurde er nur angenommen, weil Werner Büttner etwas in ihm gesehen hatte – alle anderen Professoren hätten dagegen gestimmt.
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Richter ist laut Sammler Falckenberg ein Glücksfall für die Kunstszene
Ein Glücksfall für die Kunstszene, denn laut Harald Falckenberg sei Daniel Richter einer, „der die Kunst wirklich ehrt“. Er erklärt dies im Film anhand des Richter-Bildes „Fuck the Police“ von 2006: Darauf sieht man einen Punk von hinten, auf dessen schwarzer Lederjacke der Schriftzug mit vielen kleinen Nieten angebracht wurde; an einigen Stellen ist die weiße Farbe heruntergelaufen. Nicht dahingeschmiert, wie manch anderer Künstler es vielleicht getan hätte oder wie es das Bild suggerieren möchte, sondern eben mit einer außergewöhnlichen Präzision und Sorgfalt.
Diese Qualitäten kommen auch beim Signieren limitierter Kunstdrucke zutage. Oder im Gespräch mit einer Verlegerin über die 464 Seiten starke Monografie „Daniel Richter. Bilder von früh bis heute“, die im Mai bei Hatje Cantz erscheinen wird. Vom Punk und Hausbesetzer zum kommerziell erfolgreichen und visionären Künstler – es sind diese Widersprüchlichkeit und Widerständigkeit, die Daniel Richter ausmachen.
Schlussakkord: Bei einer Feier in einem angesagten Pariser Restaurant begrüßt der Künstler in etwas unbeholfenem Englisch seine Gäste nach der Vernissage bei Wein und Live-Musik: „Ich hoffe, ich muss es nicht noch einmal sagen heute Abend: Es ist wirklich eine großartige Ausstellung geworden!“
„Daniel Richter“ 118 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Blankeneser, Koralle, Passage, Zeise