Hamburg. Filmemacher Pepe Danquart durfte den Hamburger Maler Daniel Richter bei seinem Schaffen filmen. Ein Gespräch in Richters Atelier.

Einen Maler in seinem Atelier besuchen und bei der Arbeit zuschauen: Das ist den wenigsten vergönnt. Künstler lassen sich nur ungern über die Schulter gucken. Daniel Richter, einer der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstler, ist da eine große Ausnahme.

Für seinen Dokumentarfilm „Daniel Richter“, der am Donnerstag ins Kino kommt, durfte Oscar-Preisträger Pepe Danquart ihn über drei Jahre immer wieder besuchen. So entstand ein persönliches, ehrliches Künstlerporträt, wie man es nur selten sieht. Wir haben mit den beiden über diesen Film gesprochen. Dabei dürfen auch wir in Richters Atelier in einem Hinterhof in Schöneberg.

Film über Daniel Richter: Oscar-Preisträger dreht ehrliches Künstlerporträt

Der Maler, der Mitte Dezember 60 wurde, empfängt uns hier zwischen seinen Bildern, Pinseln, Farbtöpfen. Beim Gespräch kippelt er auf dem Stuhl, lässt am liebsten andere reden und nascht selbst fermentierte Datteln und Pralinen, die er vor dem Mikro genüsslich knisternd aus dem Staniolpapier blättert. Auch sein Hund guckt neugierig zu. Nur eine Attraktion fehlt leider: Richters Papageien, die im Film so keck durchs Atelier flattern.

Schön, Sie beide hier sprechen zu dürfen. Wie lange kennen Sie sich eigentlich schon?

Daniel Richter: Diese Frage soll Pepe beantworten. Ich werde dann den Wahrheitsgehalt der Aussage prüfen.

Pepe Danquart: So macht er das immer! Wir kennen uns seit den 80ern, ohne uns je gesehen zu haben. Vor einigen Jahren sind wir uns in einer Kneipe in Hamburg begegnet und dann in der Hochschule für Bildende Kunst, wo ich Professor war und er in einer Jury für die Neubesetzung der Malerei saß. Und da stellten wir fest, dass wir in Schöneberg quasi Nachbarn waren, und haben uns einige Male hier getroffen.

Richter: Bis jetzt stimmt’s!

Und wie kam es dann zur Idee des Films?

Danquart: Es gab mal eine Ausstellung im Liebermann-Haus zu Jack Bilbo und Daniel. Bei der Gelegenheit fragte ich ihn: Was würdest du über einen Film denken? Die Antwort war eher: Komm mir nicht mit so was. Aber ich sagte, wenn du je Interesse hast, dann ruf mich an. Und das hat er dann getan. Zu einem Zeitpunkt, als viel los war. Als eine Monografie über ihn entstand, als er eine Ausstellung in Los Angeles und New York hatte und eine in Paris bevorstand. Da habe ich dann schnell losgelegt. Aber jetzt sag du mal, dass ich das überprüfen kann!

Richter: Meine Motivation war die, dass ich wusste, ich würde unvermeidlich mal 60 werden. Und die Zahl ist eine gute symbolische Zahl, das eigene Schaffen zu überprüfen. Das tut man am besten, indem man in die Öffentlichkeit geht. Aber jenseits der Beschäftigung mit mir selbst gab es noch was anderes: Die Filme über Künstler, die ich gesehen habe, fand ich nicht so gelungen. Weil die immer in der Künstlermystifikation hängen bleiben. Wo die Künstler sinnend rumstehen und, obwohl sie das seit Jahren tun, nie genau wissen, was sie da eigentlich tun. Ich finde das etwas unlauter, auch gegenüber dem eigenen Schaffen. Man kann schon mal das Risiko eingehen, etwas Missverständliches zu sagen.

Sie wollten einen ehrlicheren Film?

Richter: Ja, eher einen, in dem man die verschiedenen Aspekte sieht. Ich wollte nix von meinem Privatleben zeigen. Aber den Arbeitsprozess gern.

Herr Danquart, Sie haben Dokumentarfilme über Extremsportler und Politiker gemacht. Künstler waren eher nicht dabei.

Danquart: Doch. Mein Schwiegervater, Lothar Quinte, „40 Jahre Malerei“, vor genau 40 Jahren. Und natürlich hat mich das gereizt, nachdem ich in 15 Jahren Professur an der HBFK ständig mit der Malerei verbunden war. Ich habe da auch ein Seminar Malerei und Film angeboten und wusste genau, was ich nicht will. Was wir beide von Anfang an wussten: Das wird kein klassisches Künstlerporträt, mit Familie etc. Es ist ein Film über Malerei – am Beispiel von Daniel Richter. Die Grundidee war von der leeren Leinwand bis zur Ausstellung. Dann kam die Pandemie, kamen Verzögerungen – und dann wurde es eine Langzeitdoku über drei Jahre.

Musste der Film eigentlich auch abgenommen werden?

Richter: Ich habe den Film mit einem Freund gesehen, dem ich vertraue. Falls der gesagt hätte, nee Daniel, das ist ja nur eitler Kappes ...

Was wäre in dem Fall passiert?

Richter: Dann hätte ich das nicht autorisiert.

Danquart: Das wär dann schwierig geworden. Aber ich sag mal so: Ich hatte schon schwierigere Kandidaten vor der Kamera. Von Joschka Fischer bis zu den Egoshootern von Bergsteigern. Ich zeige meinen Protagonisten den Film immer vorweg. Aber bis heute hat noch nie, nie, nie einer Einspruch erhoben. Wir haben uns von Anfang an geschätzt und vertraut. Und es kommt ja nicht so oft vor, dass man so oft und lange in ein Atelier kommen darf, um beim Entstehen von Kunst zuzuschauen. Erst recht nicht mit Kamera.

Wie war das für Sie, Herr Richter, immer die Kamera um sich zu haben? Gerade wenn Sie malen? Kein Problem für Sie? Oder entzaubert das den intimen, kreativen Prozess?

Richter: Wie gesagt, es sollte halt nicht dieser klassische Künstlerfilm werden, wo die Künstler die Kamera immer mitdenken und in Posen stehen. Da wird nachdenklich geguckt, dann der Pinsel angesetzt. Das ist Theater, finde ich jedenfalls. Das kann man nur umgehen, wenn Leute tagelang dabei sind. Man muss da auch die Kameraleute loben, ich hab die irgendwann gar nicht mehr bemerkt. Es geht um die Frage der Profanisierung des Werkes, wenn man sieht, wie es entsteht. Ich finde, das Werk steht weiter für sich selbst.

Danquart: Das war für uns beide ungewohnt. Ich fragte mich auch, wie weit kann ich gehen, wie sehr störe ich den Prozess. Aber irgendwann war das Team ganz selbstverständlich dabei, die Kameraleute wussten schon seine Abläufe, antizipierten manchmal schon die Bewegungen, die Daniel beim Malen macht.

Richter: Wenn die Kamera da ist, ist man natürlich nicht so entspannt, dass man onaniert oder in der Nase bohrt. Aber ich bin von Natur aus unruhig und hab schon mal Yoga gemacht, während die da waren.

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  • Sie haben vor allem eine Bandage getragen. War das eine Sehnenscheidenentzündung?

    Richter: Ja. Ich erfülle leider alle Malerklischees. Eine Berufskrankheit ist das Karpaltunnelsyndrom, die Verkürzung der Muskulatur, das hatte ich alles schon, auch die Sehnenscheidenentzündung. Auch die Malerallergie, blutige, eitrige Hände, das ist echt nicht sehr attraktiv. Im Film sieht man noch die Teppiche im Atelier. Die musste ich rausnehmen, weil die Mischung aus Staub, Alkohol und gebundenem Öl die Hände so trocknen, dass die richtig aufplatzen. Das tat auch sehr weh und ist erst seit einem halben Jahr weg.

    Wenn mal andere zu Wort kommen und über Daniel Richter sprechen, wirkt das wie eine Parodie auf Dokumentarfilme. Vor allem, wenn Jonathan Meese das tut und sich als den „echteren“ Daniel Richter ausgibt. Wie ist das, wenn andere über Sie reden?

    Richter: Erhellend. Die tun das sonst ja nicht in meiner Gegenwart. Jonathan ist ein sehr enger Freund, ich fand das sehr lustig, was er sagt. Auch der Sammler hat Sachen gesagt, von denen ich merke, der hat verstanden, worum es mir geht. Der sammelt nicht nur, um einen Richter zu haben. Ich hab da nix zu mäkeln. Am meisten müsste ich mich über mein eigenes Gerede beschweren.

    Danquart: Und dass ich keinen Kamm dabei hatte!

    Richter: Ich trage mein Leben lang wirre Haare. Aber immer, wenn ich das sehe, finde ich das total unangenehm. Die Leute glauben doch, ich sei gerade erst aufgestanden. So eitel bin ich dann vielleicht doch. Dabei könnte ich mir Millionen Kämme leisten! Ich könnte das Atelier hier mit Kämmen füllen! Aber nee – ungekämmt wurschtelt er sich vor der Kamera.

    Filme sind bewegte Bilder, aber eben auch Bilder. Sie sind damit jetzt selbst zum Bild geworden. Wie ist das für Sie?

    Richter: Ich kann das so nicht beantworten, das ist mir zu metaphorisch. Ich bin mit dem Film zufrieden. Ich denke, das Klassenziel ist erreicht. Ein Künstlerfilm, der nicht das Klischee des Künstlergenies wiederkäut. Die echten Künstlerfilme, das sind nur die, die Künstler selbst in den 50er-, 60er-Jahren über sich gemacht haben. Aber das waren ja Filme für Eingeweihte. Der hier ist es nicht. Denke ich mal. Das ist ein Film fürs Kino – das bekanntermaßen in der Krise ist. Und durch diesen Film gerettet wird. (grinst)