Hamburg. Kai Wessel inszeniert das Stück von Henrik Ibsen als großes Schauspielertheater – muss dabei aber die eigentliche Titelheldin ersetzen.
Dass diese Ehe unter keinem guten Stern steht, ist klar, noch bevor sich Vorhang hebt. Hochzeitsbilder von Hedda und Jörgen Tesman werden auf die Gazefläche projiziert – und gleich darauf zerstören schiefe Saxofonklänge jede Illusion von Harmonie. Nein, das wird nichts.
Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ kommt häufig in Hamburg auf die Bühne – zuletzt zeigte Jan Bosse das Drama vor nicht einmal zehn Jahren am Thalia in einer recht vorlagengetreuen (und ein wenig öden) Inszenierung. Kai Wessel an den Hamburger Kammerspielen hat bei seiner aktuellen Version das Problem, dass ihm die Hauptdarstellerin während der Proben verlorenging.
Vor einer Woche wurde bekannt, dass Elisa Schlott krankheitsbedingt von der Titelrolle zurücktreten musste, für sie sprang Teresa Weißbach ein. Und so traurig das für Schlott ist: Für den Abend ist die Umbesetzung ein Glücksfall. Weil Weißbach von außen in eine mehr oder weniger fertige Produktion kam und so Hedda Gabler perfekt verkörpert, eine Außenstehende, eine Exzentrikerin, die sich in der bürgerlichen Welt zu Tode langweilt. Und die fatalerweise als Ausweg aus diesem Ennui die skrupellose Manipulation ihrer Mitmenschen wählt.
„Hedda Gabler“: Patrick Abozen als düsteres Genie
Wessel inszeniert diese Zerstörungsorgie unaufgeregt, wenn auch sachte in die Gegenwart geholt. Hedda und Jörgen leben in einer zeitlos-modernen Wohnung, deren auffälligstes Einrichtungsmerkmal ein riesiges Bild ist, das entfernt an das berühmte Ibsen-Porträt Edvard Munchs erinnert und gegen Ende noch eine Überraschung bereithält (Austattung: Maren Christensen).
Das übrige Ensemble schwirrt als heutige Akademikergesellschaft um Hedda herum, Mittdreißiger mit Schulden auf dem Weg zur ersten Professur: Ron Helbig als langweiliger Kulturwissenschafts-Nerd Jörgen, Patrick Abozen als düsteres Genie (und Heddas Ex-Liebhaber) Eilert, Alexandra Sinelnikova als so naive wie hilfsbereite Thea: Gestalten, die auszunutzen höllisch Spaß macht.
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Einzige Ausnahme unter dieser Heddas Intrigen hilflos ausgelieferten Figuren ist Richter Brack, ein väterlicher Hausfreund, der für die Hauptfigur gerne noch ein bisschen mehr als nur väterlich wäre. Markus Boysen spielt ihn als alternden Lebemann, mit ein bisschen zuviel Gel in den Haaren, ein bisschen zu modischer Kleidung – und ein bisschen zuviel Souveränität. An ihm wird Hedda scheitern, und als sie erkennt, dass dieser ölige Typ sie in der Hand hat, ist das ihr Ende.
„Hedda Gabler“ ist großes Schauspielertheater
Diese „Hedda Gabler“ ist großes Schauspielertheater, bei dem alle genau wissen, was sie hier zu tun haben. Und vielleicht ist das dann auch der Knackpunkt der genau gearbeiteten Inszenierung: dass hier Vieles im Kulinarischen versandet, dass man dem Ensemble mit großem Vergnügen bei seinen Bösartigkeiten zusieht und dabei vergisst, dass Ibsen gar nicht in erster Linie eine fiese Kriminalgeschichte geschrieben hat, sondern ein Sozialdrama, das der bürgerlichen Welt einen gnadenlosen Spiegel vorhält.
Aber immerhin: Die Kammerspiele können sich damit brüsten, eine „Hedda Gabler“ im Programm zu haben, die im Gegensatz zur zehn Jahre alten Thalia-Variante ganz und gar keine Langeweile aufkommen lässt. Außerdem wartet die Inszenierung mit dem schauspielerischen Ereignis Weißbach auf, und sie hat ein Ensemble, das die Hauptdarstellerin leuchten lässt, ohne sich selbst im Hintergrund zu verstecken. Was will man eigentlich mehr?
Hedda Gabler Vorstellungen bis 19. Februar, Mittwochs, Donnerstags, Freitags, Sonnabends (außer am 4. Februar) um 19.30, Sonntags am 22. Januar und am 19. Februar um 18 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9-11, Tickets unter 4133440, www.hamburger-kammerspiele.de