Hamburg. Vor zwei Jahren trat der Politiker mit der Band “Das Weeth Experience“ im Knust auf. Das gibt’s jetzt als Album.
„Psychedelische Kulturtheorielesung“, das ist die griffige Bezeichnung, die die auf den ersten Blick so unwahrscheinlichen musikalischen Komplizen ihrem – ja, was eigentlich? gegeben haben. Die drei Musiker von Das Weeth Experience (einer seit Jahrzehnten bestehenden, ziemlich famosen Mittleres-Alter-Herrentruppe) und niemand geringeres als der Kultursenator fanden sich im zweiten Lockdown im Dezember 2020 im Knust zusammen, um live eine Mischung aus Krautrock, Noise und Spoken Word auf der Bühne abzuliefern.
Der Kulturpolitiker und Gesellschaftstheoretiker Carsten Brosda brachte also die in seinen Büchern formulierten, nicht selten hochtourigen und immer sozialdemokratisch geeichten Gedanken zu Gehör, mal lauter, mal leiser, in jedem Fall dynamisch. Mit Henry Rollins’ Performance-Gebrüll hatte das aber nix zu tun, das wäre ja auch verstörend: Als wäre Kulturanalyse und politische Theorie etwas, das nur mit Lautstärke Wirkung zeitigte.
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Carsten Brosda: Die Idee zu dem Konzert entstand im Plattenladen
Das Geräuschige überließ Brosda Das Weeth Experience, die im Hintergrund auch mal härter hineinhieben. Es war nicht zum Schaden der Deklamation, Sätze wie „Wir streiten über das Theater, das uns manchmal mit drastischen Mitteln vorführt, was nicht gut läuft in der Welt“ waren immer gut zu verstehen. Als fröhlich irritierendes Charakteristikum für diese einmalige Sache ist das beharrlich Hypnotisierende der Tonspur aber unbedingt als erstes zu nennen. Der Senator dürfte nicht mal im Traum daran denken, künftig seine Grußworte musikalisch untermalen zu lassen. Oder gerade doch?
Geboren wurde die Idee der Konzertlesung bei Michelle Records, dem Plattenladen in der City. Dort betreibt Carsten Brosda für gewöhnlich Popshopping, und dort kam er mit Das-Weeth-Experience-Kopf und Michelle-Betreiber Christof Jessen ins Gespräch. Es folgte der beschriebene Lockdown-Auftritt, gleichzeitig ein Soli-Konzert für die Essensausgabe „Dein Topf“. Und es folgt nun die LP-Veröffentlichung des Abends, auf „Willy-Brandt-rotem Vinyl“, wie es im Pressetext heißt. Brandt gibt halt ästhetisch (und irgendwo politisch) die Richtung vor: Der Albumtitel „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer“ stammt von ihm, ein Satz, der Brosda beim Buch „Die Kunst der Demokratie“ anleitete. Sagen wir es geradeheraus: Solche LPs geben jeder Plattensammlung Charakter.