Hamburg. Annette Frier und ihr „Stromberg“-Kompagnon servierten ihr im Fernsehen erprobtes Ehe-Desaster-Programm. Mal so und mal so.

Die Menschheit ist geteilt in Mann und Frau. Auf die Dauer verstehen sich Mann und Frau nicht, zumindest nicht, wenn derselbe Mann immer mit derselben Frau zu tun hat. In einer Ehe zum Beispiel. Auf diesen einfachen Annahmen, empirisch ja bewiesen durch eine notorisch hohe Scheidungsrate, beruhen große Tragödien, beruht oft, sehr oft Comedy. Und das Bühnenprogramm Christoph Maria Herbsts und Annette Friers, „Die Kunst, Recht zu behalten oder: Du mich auch!“ heißt es, und im Untertitel „Streitgespräche der Weltliteratur“.

Christoph Maria Herbst und Annette Friers im Schauspielhaus

Herbst und Frier sind als TV-Ehepaar in „Merz gegen Merz“ und Profis des Extremkabbelns in Erscheinung getreten. Die Erfolgsformel aus dem Fernsehen sollte nun auch im Schauspielhaus zum Tragen kommen, das mit Fans der Sendung bestens gefüllt war. Das Schisma der Geschlechter, immer gutes Thema.

Aber halt auch ein Thema, das so unglaublich erschöpft, im tausendfachen Galopp abgeritten ist. Im Versuch, dem Mann-Frau-Krampf wenigstens den Überbau von genderfluider Aktualität und neuen Sprachregeln überzustülpen, verbesserte Herbst Friers „Herren“ zu Anfang gleich mal in „Herrinnen“.

Sitz-Entertainment mit Shakespeare und Hölderlin

Das war, in den mit Hölderlin, Goethe, Shakespeare, Mark Twain und der Bibel hochfrisierten Rededuellen, in der gleichen Gähn-Liga angesiedelt wie „Irgendwann muss man sich entscheiden, ob man Single und einsam sein will oder verheiratet und gelangweilt“.

Frier und Herbst, Verfechter des Sitz-Entertainments, lasen und deklamierten sich an ihren Pulten mit sichtlicher Freude durch ihr einstudiertes Programm, aber es war schon auffallend, wie billig sie ihr Publikum da hinbekamen, wo sie es haben wollten: dampfbequatscht und giggelnd in der Ringecke des eher niedrigschwelligen Humors. Einmal, als sich Frier und Herbst auf die Gestrigkeit ihrer Sätze einigten, band letzterer das Thema pointiert ab: „Für Hamburg reicht’s.“

Aber zweigeteilt muss eben auch das Urteil über diesen Abend ausfallen. Dass es vielleicht auch künstlerisch ein bisschen uninteressant ist, die ollen Geschlechterkamellen immer wieder herauszuholen, fiel Frier („Wir sind da jetzt gleich ordentlich in den Rollenklischees“) und Herbst ja sowieso auf. Dennoch hatten sie als eingespieltes Team, das in schwerer Rotation das Elend der Ehe aufs Tapet bringt, auf der Bühne immer wieder ihre Momente. Weil es den Ralf-Husmann-Faktor gibt.

Die Brüller des Abends

Husmann ist der Autor von „Merz gegen Merz“ und auch der Erfinder von „Stromberg“ („The Office“-Schöpfer Ricky Gervais sieht das allerdings anders), und seine Dialoge wurden von Frier/Herbst nun immer wieder auf die Bühne des Schauspielhauses transferiert. Es waren, aber ja, die Brüller des Abends.

Wenn Herbst strombergisch spricht und seine hirnrissigen Vergleiche anbringt („Die Ehe ist wie der Krieg in Afghanistan. Horror. Wie ist man da nur hineingeraten?“), dann ist das die alte, depperte Magie. Scheinkluge Nassforschheit, die sich in der eigenen Selbstverliebtheit aalt; kann keiner so gut wie Herbst.

Die spielfreudigen Momente: Als das Duo „Macbeth“, ein angeführtes Beispiel für die Skrupellosigkeit der Frau, rezitiert. Oder beim Streitwahnsinn von Tucholskys „Ein Ehepaar erzählt einen Witz“, in dem beide ihr Bestes geben, um ein Beispiel von ganz normaler ehelicher Disharmonie zu geben.

Herbst hat die besseren Pointen

Aber eine Unwucht hat das Programm halt doch, nicht nur in den Husmann-Passagen. Am Ende sagt Herbst es ja selbst: Er müsse den Abend beenden, „weil ich den besseren Text habe“. Also, er hat die viel besseren Lines, die fieseren Sätze, die lauteren Lacher. Selbst seine Kalauer sind kalaueriger. Herbst bringt es irgendwie fertig, halbwegs gewitzte Sätze wie absolut nachdenkliche Bonmots klingen zu lassen: „Zwei machen denselben Fehler, das ist im Grunde Ehe“.

Bei der Balkonszene von „Romeo und Julia“ verkürzten sie ihre dramatische Lesung nach eingehender Selbstprüfung – („Das können wir so hier im Schauspielhaus nicht bringen“ – „Warum, weil ich ein alter, grauer Cis-Mann bin? Dann bürsten wir es halt gegen den Strich“) und einstweiligem Rollentausch.

Christoph Maria Herbst las also plötzlich mit sehr hoher Stimme, und dann lachten alle.