Hamburg. Der Tenor kam mit vier Hornisten in den Kleinen Saal und besang die “Heimat“. Ein erschütterndes Lied ließ das Publikum verstummen.
„Griechischer Wein“ (2022) für lyrischen Tenor, Hornquartett und ausgeschalteten Lautsprecher. Das könnte auch mühelos als vergeistigter Titel einer Matinee-Uraufführung bei den Donaueschinger Musiktagen durchgehen. War aber, nur echt von Udo Jürgens, die dritte, natürlich schwer umjubelte Zugabe, mit der Daniel Behle und die vier schier unkaputtbaren Langstrecken-Bläser von German Hornsound ihren gut zweistündigen „Heimat“-Konzeptabend beendeten.
Als guter, altersweise raunender Rezitator der kurzen Prosa-Zwischentexte war Mario Adorf im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zugegen – allerdings lediglich als Audio-Datei aus dem Smartphone, deswegen der Lautsprecher.
Daniel Behle in der Elbphilharmonie: Viel angenehmer Pathos
Man kann solche Programme mit Subtext smart kuratieren und umsetzen, ohne auch nur ansatzweise in die Nähe des ranzig Gefühligen zu geraten; ohne sich irgendeiner stumpfen Tümelei verdächtig zu machen. Ein Volkslied wie das gute alte „Innsbruck, ich muss dich lassen“, die erste von fast 30 Etappen, kann auch einfach nur ein Volkslied sein und kein Hintergedanke. Für Grund-Originalität sorgte die Idee, sich als Sänger vor vier Hornisten zu stellen.
Tief im deutschen Klischee-Wald bewegte sich das Ganze aber deswegen noch lange nicht. Schuberts „Erlkönig“ wurde zum Kurzkrimi, beim „Jäger aus Kurpfalz“ hätten es gern acht statt vier Hörner sein dürfen. Mit „Heimat ist dort, wo der Schlüssel passt“ führte Behle operettentauglich Selbstgekalauertes vor („Auch im Tipireservat ist das Pipimachen fad“).
Erst „Kommt ein Vogel geflogen“ und danach die „Gralserzählung“ von Wagners Schwanenritter Lohengrin, anrührend, groß, geschmeidig, erhaben – Hut ab vor so viel tatsächlich angenehmem Pathos.
Daniel Behle ist auch ein kluger Sänger
Wo so viel Licht, muss auch Schatten sein. Lieder des Exilanten Eisler, danach selig und nur scheinharmlos schmalzend „Ein neuer Frühling“ der Comedian Harmonists, direkt gefolgt vom „Buchenwaldlied“, das zwei KZ-Häftlinge dort geschrieben hatten (… „denn einmal kommt der Tag: da sind wir frei“). Behle sang dieses erschütternde Lied als Teil der deutschen Geschichte unbegleitet, offen, ungeschützt. Es war bis zum letzten Ton still im Saal.
Behle ist nicht nur ein guter und – auch keine Selbstverständlichkeit – humorvoller Tenor, mit Strahlkraft und Schmelz, er ist auch ein kluger Sänger. Weiß, wie er sich einzuteilen hat, wie man Bögen und Brücken baut.
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Für die Zielgerade durfte es deswegen neben Kreislers Schmäh-Breitseite „(Wie schön wäre) Wien ohne Wiener“ auch der Song „Heimat“ von Johannes Oerding und Ina Müller sein, ganz nah ans Elbwasser gebaut, bevor das Programm mit Mackebens „Und über uns der Himmel“, im Original 1947 von Hans Albers in eine Filmkamera gesungen, einen letzten melancholischen Gedankenschlenker vollzog und zu Hause ankam.
CD: „Heimat – 500 Jahre Heimatlieder und -gedichte“ (Prospero, 2 CDs, ca. 29 Euro)