Hamburg. 7000 Besucher eskalierten in der Sporthalle. Und bekamen dabei von dem Rap-Rocker ein paar ernste Botschaften mit auf den Weg.

Ein Rapper, der sich bei seinen Konzerten eine üppige Pflanzenwelt auf die Bühne stellen lässt, und wohlgemerkt keine Hanfplantage: Ist nicht normal. Ist allein Grund, ihn als interessant zu erachten. Natürlich, weil man HipHop schon auch relevant und gut findet, aber manchen seiner Zutaten auch distanziert gegenübersteht. Der Tiefgang-Rapper Casper, der am Sonnabend in der Sporthalle ein explosives Set spielte, ist der Schlaue und Melancholische im deutschen HipHop.

Einer, der mal Pädagogik und Psychologie studiert hat und auf seinem neuen Album „Alles war schön und nichts tat weh“ (Kurt Vonnegut!) unter anderem die Themen Depression und Klimawandel behandelt. Also, die Sträucher, der Baum und das Blumenmeer. Die hatten eine schön beruhigende Wirkung, während Casper mit Band seinen Sound aus sattesten Beats, irre wühlendem Bass und Gitarren ein Energiefeld aufbaute, dem man sich auch als neutraler Beobachter kaum entziehen konnte.

Casper in Hamburg: Superhit kommt bereits als zweiter Song

Die Botschaften auf der Leinwand, Bilder vom Klimaeffekt, Depressions-Hotlines und Anti-Kriegs-Slogans („Nie wieder Krieg“, hier tatsächlich Tocotronic zugeschrieben) machen ja jeden denkenden und fühlenden Menschen eher nervös; wie gesagt, der Baum da vorne, gute Sache.

Benjamin Griffey, wie Casper seinem Personalausweis nach heißt, ist 40 Jahre alt und Besitzer eines Alleinstellungsmerkmals. Er ist der einzige Rapper, dem man zutraute, auch ein reines Rockalbum aufzunehmen. Was er zum Glück nicht tut, es wäre schade um seine Lines und Tipp-Topp-Texte, die HipHop-Klischees deutlich unterlaufen und als reine Rock-Lyrics zu wenig Raum hätten. Der Superhit „Ascheregen“ kam bereits als zweiter Song: Clevere Setlist, so war die Stimmung im Publikum unverzüglich hochgepegelt. Casper hatte seine Leute gleich da, wo er sie haben wollte: auf Zündung.

Hamburger Publikum war unbedingt eskalationsbereit

Das Hamburger Publikum war unbedingt eskalationsbereit. Und begrüßte die Stücke der älteren Alben „Hinterland“ und „XOXO“ genauso mit dem HipHop-Schwenkearm und mit Moshpits wie die des neuen Albums. „Die Stadt muss brennen, brennen, brennen“? War schon beeindruckend, wie laut 7000 Feuerteufel die Losung des Abends ausriefen. Dabei wurde nach Kräften gesprungen. Junge Leute, viel Energie.

Die Superwaffe des unentwegt über die Bühne dotzenden Herum-Caspers („Wo sind die Hände, ich will euch bis an die Decke der Sporthalle springen sehen“), neben den Texten und dem rauen Ton seiner Stimme, sind seine Arrangements, die manchmal auf Backgroundchöre bauen, aber wie in „Adrenalin“ auch auf Synthie- und Gitarrengeschrubbe.

Casper holt mit seiner Emotionalität die Leute ab

Die Architektur seiner Songs ist bombastisch und simpel zugleich, auch live. Wie gut sich „Jambalaya“ und „Ganz schön okay“ (auch ohne Kraftklub), aber auch das neue „Lass es Rosen für mich regnen“ mitsingen lassen, zeigte sich eindrucksvoll in der Sporthalle. Gangsta-Rapper finden seine Emotionalität peinlich, aber Casper holt genau damit auch die Leute ab, denen Rap sonst zu aggressiv und kindisch wäre. „Geht in Deckung, ich hab zu viel Energie“ heißt es in einem seiner Songs. Das mit der Deckung gilt nun gerade nicht, im Gegenteil, Caspers Fans eskaliertem ihm geradewegs entgegen.

Sicher: Caspers Animationsrhetorik („Hamburg, Samstagabend, die Stadt der schönsten Menschen der Welt“, „O mein Gott Hamburg, so gut heute Abend“) griff oft ins Platitüdenfach, erfüllte aber ihren Zweck. Er feierte sie, sie feierten ihn.

Casper in der Sporthalle: Höhepunkt ist „Billie Jo“

Und als Casper erzählte, wie er vor vielen, vielen Jahren in einem ostwestfälischen Kaff Musik aus Hamburg hörte, der großen, großen Stadt, und wie dankbar er sei, jetzt so hier zu sein, als gefeierter Star, da war das sicher ein sehr wahrhafter Moment.

Ein Höhepunkt von Album und Konzert ist der Song „Billie Jo“, der von einem Rückkehrer aus dem Irak-Krieg handelt. Die musikalische Textur von Caspers Songs baut auf eine Rock’n’Roll-Härte, die die inhaltlichen Themen spiegelt. Toll zu sehen war, wie die Leute im Publikum trotz der ernsten Themen mit Endorphinen geflutet wurden.

Casper in Hamburg: „So perfekt“ zum Abschluss

„So perfekt“ heißt einer der größten Hits Caspers, er kam beinah ganz zum Schluss dieses anderthalbstündigen Konzerts. Konnten die allermeisten sicher als Resümee durchgehen lassen.