Hamburg. Til Schweiger hat Sarah Kuttners Erfolgsroman „Kurt“ verfilmt – warum das Ergebnis aber weitgehend enttäuscht.
In lässiger Cargohose betritt Til Schweiger am Montagabend das Astorkino. Ein Blitzlichtgewitter empfängt den Schauspieler und Regisseur auf dem roten Teppich: „Lieber Kurt“ heißt sein neuer Film, der in der Hafencity Premiere feiert.
„Lieber Kurt ist besonders, weil es mein bisher emotionalster Film ist“, sagt Schweiger noch bevor die Vorstellung beginnt. „Man kann lachen, man kann weinen - alle Emotionen sind dabei.“ Auch seine beiden Töchter Luna und Emma begleiten den Hamburger auf dem roten Teppich. Um 19.45 Uhr geht das Licht im Saal aus: Film ab.
Til Schweigers neuer Film: Emotionen mit dem Holzhammer
Sie heißen beide Kurt. Der Papa (Til Schweiger) wie der Sohn (Levi Wolter). Liebevoll unterscheidet man sie als den großen und den kleinen Kurt. Und so bilden sie eine unverbrüchliche Einheit. Die Ehe mit Mutter Jana (Jasmin Gerat) ist zwar gescheitert, aber das Kind wächst bei beiden im Wechsel auf. Und in dem Haus auf dem Land, das der Papa mit seiner neuen Freundin Lena (Franziska Machens) ausbaut, wird natürlich auch ein Zimmer für den kleinen Kurt eingerichtet. Ein Patchworkfamilienidyll, bei dem der kleine süße Junge alle verzaubert.
Zumindest für die erste Viertelstunde. Denn dann rutscht das Kind vom Klettergerüst. Und plötzlich wird aus der vermeintlichen Komödie ein Drama über Tod, Verlust, Trauer und den schweren Weg zurück in einen Alltag, der so sinnlos erscheint. Ein Verlust, der auch das Paar in seinem neuen Heim zu zerreißen droht. Weil der große Kurt sich verschließt. Sich gehen lässt. Nicht mehr zur Arbeit geht. Zu trinken beginnt. Sich in einer Kneipe mit Wildfremden anlegt. Und dann nachts blutend im Garten steht.
Til Schweiger verfilmt Kuttners Buch "Kurt": Mal keine Komödie
„Lieber Kurt“ basiert auf Sarah Kuttners Erfolgsroman „Kurt“. Die Autorin ist selbst kurz im Film zu sehen, als eine der Trauernden bei der Beerdigung. Und eigentlich ist ihre Vorlage ein Stoff, der niemand unberührt lassen kann, bei dem jeder gepackt werden müsste. Ein Stoff, der vermeintlich nicht schiefgehen kann. Aber bei solch todsicheren Erfolgen verhebt man sich ja oft im Filmbusiness. Und so leider auch hier.
Kein Zuschauer wäre so kaltherzig, dass ihn der Tod dieses fröhlichen Jungen nicht rühren würde. Aber Til Schweiger, der auch wieder für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, traut seinem Zuschauer nicht. Und will ihn in jeder Szene vorschreiben, was er zu fühlen hat. Keinen Moment der Stille gibt es, in dem man mal in sein Herz horchen könnte. Ständig dreht der Soundtrack auf und gibt eine mal unbeschwerte, mal sehr beschwerte Stimmung vor. Exzessiv wie selten werden auch Moment in Zeitlupe eingefroren. Auf diese Weise manipuliert Schweiger sein Publikum nicht nur, er erschlägt es schier.
Schweiger übertreibt nicht nur beim Einsatz filmischer Mittel
Es ehrt den Filmemacher, nicht nur auf die üblichen Komödien zu setzen, sondern einmal mehr, wie bei „Honig im Kopf“, auch schwere Themen zu erzählen. Aber Schweiger übertreibt nicht nur beim Einsatz der filmischen Mittel. Er macht auch als Schauspieler zu viel. Keine kleinen Gesten gibt es hier, immer nur ganz große: Emotionen mit dem Holzhammer.
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Dieses Zuviel an Spiel fällt auch deshalb so stark auf, weil der Star sich wie üblich mit einem großen, starken Cast umgibt. Nicht nur Filmkollegen, die alle schon in dem einen oder anderen Schweiger-Film zu sehen waren. In „Lieber Kurt“ ist erstmal auch Franziska Machens vom Deutschen Theater Berlin in einer Filmhauptrolle zu erleben. Sie ist hier das eigentliche Gefühlszentrum, das den Film zusammenhält.
Til Schweiger verfilmt Sarah Kuttners Erfolgsroman "Kurt"
Und da ist noch Peter Simonischek als Schweigers Film-Vater. Schweiger kann in noch so viele Weinkrämpfe ausbrechen – die eine Träne, die Simonischek in einer Szene über die Wange läuft, berührt viel viel mehr.
Gegen 22 Uhr schließt sich der Vorhang im Astorkino wieder vor der Leinwand. Einige Jubelrufe, viele stehen sogar auf. Der Applaus: Ordentlich, aber nicht übermäßig. Das mag jedoch auch der melancholischen Stimmung zuzuschreiben sein, die der Film im Saal hinterlässt.
„Lieber Kurt“ 136 Minuten, ab 12 Jahren, läuft ab Donnerstag in zahlreichen Hamburger Kinos