Hamburg. Der singende Schauspieler spielt mit Dietmar Loeffler auf dem Theaterschiff „Die ESC-Show“ – und begeistert das Premieren-Publikum.

Beim Verlassen des Theaterschiffs kommt einem „Ein Lied kann eine Brücke sein“ in den Sinn. Bis oben die Straße Holzbrücke erreicht ist, gilt es auf den Pontons im Nikolaifleet mehrere Metallbrücken zu überqueren. Doch warum ausgerechnet dieser Song des 2017 gestorbenen Mannheimer Mädchens namens Joy Fleming, die 1975 beim Eurovision Song Contest für Deutschland nur den 17. Platz belegte? Weil das Lied Soul hat. Und weil Tim Grobe das als deutsche Grand-Prix-Hymne geltende Lied mit derart viel Seele interpretiert, dass es im Ohr bleibt. Wie manch anderes an diesem Abend.

„Die ESC-Show. 12 Punkte für Europa“ haben Grobe sowie Pianist, Zweitstimme und Arrangeur Dietmar Loeffler ihr neues Programm genannt – eine doppelte Premiere: Für das „Schiff“ war es die erste der Saison, für Grobe sein Debüt an Bord. Und Ovationen im Stehen von einem Teil des Publikums wie für dieses neue starke Gesangs-Doppel gibt es auf dem Theaterschiff auch nicht alle Tage.

Theaterkritik: (Rück-)Schau auf 66 Jahre Grand Prix

Dabei hat Tim Grobe, Ex-Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus, in Loefflers Liederabend „Sylt – Ein Irrtum Gottes?“ und ebenfalls an den Kammerspielen in „Familienbande“ von Franz Wittenbrink seine Sangestauglichkeit längst nachgewiesen. Auf dem Brettl nun bietet die (Rück-)Schau auf 66 Jahre Grand Prix, wie der ESC anfangs noch hieß, ein vielfältiges Spektrum aus Perlen und Peinlichkeiten, Hits und Unbekannten.

Von den etwa 1700 Titeln haben die beiden ESC-Show-Matrosen nach eigener Aussage rund 1000 gesichtet. Von Lys Assias längst vergessenem Premieren-Siegertitel „Refrain“ (1956) bis zu Sam Ryders „Space Man“ haben sie mehr als 30 an Bord gehievt. Wobei die Briten (wie in diesem Jahr) am häufigsten Zweite geworden seien, wie Grobe ironisch erläutert. Am stärksten ist er jedoch bei den Franzosen, wenn er mit rauchiger Stimme im Duett mit Loeffler den Siegertitel von 1977, „L’oiseau et L’enfant“, rhythmisch Charme und neuen Glanz verleiht. Der mehr als zweistündige Abend könnte noch etwas straffer und bissiger sein, erhellend ist er schon jetzt.

Theaterkritik: Grobe spottet über Celine Dion

Und lustig, da Grobe und Loeffler Nicoles 40 Jahre altes „Ein bisschen Frieden“ als gelungenen Tango- und Polka-Mix ad absurdum führen und damit „Bravo!“-Rufe provozieren. Gleich danach sorgt der gebürtige Duisburger Grobe mit seinem Friedensbegriff auf Holländisch („Vrede“) für einen schönen Kontrast, spottet dann über Weltstar Celine Dion, deren Stern 1988 beim Sieg für die Schweiz aufging.

„Das vereinigte Europa funktioniert nur einmal im Jahr beim ESC“, outet sich Grobe am Ende als Liebhaber des Grand Prix. Sein „Waterloo“ gibt er mit Loeffler als Zugabe. Auch schön. „Merci Cherie“! Die fast magischen „Twelve Points“ hat sich Tim Grobe verdient.

„Die ESC-Show. 12 Punkte für Europa“ wieder Sa 3.9., 19.30/So 4.9., 18.00, bis 21.12., Theaterschiff (U Rödingsmarkt), Holzbrücke 2, Karten zu 27,- bis 31,- unter T. 69 65 05 60; www.theaterschiff.de