Hamburg. Zunächst feiert die Band 1000 Robota ein bemerkenswertes Comeback. Eine Halle weiter überzeugt eine australische Compagnie.

„Hamburg brennt!“ Es ist auch schon wieder 14 Jahre her, dass drei Milchgesichter aus der Nordheide namens 1000 Robota plötzlich in der Indieszene auftauchten und einem begeisterten Publikum galligen Postpunk entgegenbellten, voll jugendlicher Verachtung für Welt, Umstände, System.

Nach einer ersten EP folgte der insbesondere in Großbritannien Aufsehen erregende Meilenstein „Du nicht, er nicht, sie nicht“, zwei Jahre später die schwer zugängliche, Krautrock-beeinflusste Platte „Ufo“, dann zog Sänger Anton Spielmann nach Wien, bekam ein Kind mit der unter dem Namen Soap&Skin als Undergroundkönigin firmierenden Anja Plaschg und machte vor allem Theatermusik, unter anderem für Jette Steckels „Romeo und Julia“-Inszenierung am Thalia.

Kampnagel: 1000 Robota gibt Comeback-Konzert

1000 Robota waren schnell verglüht, aber wie sie verglühten, das war spektakulär. Nur dass die Band gar nicht wirklich weg war. Beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel spielten sie am Mittwoch, mittlerweile zum Quintett angewachsen, ein Comeback-Konzert, für September ist eine neue Platte namens „3/3“ angekündigt. Und nach Punk und Krautrock besteht diese aus: klassischem Indierock im Stil der schottischen Band Mogwai, theatralisch, melodiös, wuchtig. Die Vorabsingle „Ende“ ist ein Songmonster, das sich langsam und dröhnend durch Winterhude wälzt, das ist interessant. Aber es ist auch arg von gestern.

Im Grunde sind 1000 Robota immer schon eine Band der Vergangenheit. Postpunk war auch 2008 nicht zeitgenössisch, aber es hatte seinen Reiz, wenn drei Teenager sich mit Haut und Haaren auf einen Sound einließen, für den selbst ihre Eltern zu jung gewesen sein dürften. Mittlerweile sind die Musiker aber um die 30, und wenn sie jetzt immer noch eine vollkommen aus der Zeit gefallene Ästhetik pflegen, dann ist das nicht mehr faszinierend, es ist skurril.

1000 Robota: sexy, schräg, verstören

Zumal 1000 Robota im Laufe der Jahre wirklich gute Musiker geworden sind und dieses handwerkliche Können auch mit gnadenloser Humorlosigkeit durchziehen. Immerhin: Die Kompositionen sind raffiniert, Schlagzeuger Jonas Hinnerkort hat seine Gesangseinsätze massiv erhöht, das Zusammenspiel von vertrackter Rhythmik und aufbrausenden Noise-Wänden hat seinen Reiz, und dass der Sound zu Beginn noch ein bisschen unspezifisch sumpft, bessert sich im Laufe des Abends.

Aber man vermisst den Geist von 2008. Damals waren 1000 Robota ein völlig unbekanntes Trio, das noch nicht einmal eine Platte veröffentlicht hatte, und alle fanden es toll. Wie anders das heute ist, spürt man bei der Vorgruppe Fuffifufzich: Die gruppiert sich um Schauspielerin Vanessa Loibl und macht verspulten Elektropop, sexy, schräg, verstörend.

„Hallo Popolizei, ich möchte Anzeige erstatten wege Heartbreakerei“ lallt die Sängerin ins Mikro, Synthesizer und Bass untermalen das mit süßlichen Klängen, und das Publikum ist begeistert. „Album, ja, kommt“, kündigt Loibl an, „also, wir sind echt dran“, und man weiß nicht, ob sie das tatsächlich hinbekommt, man weiß nicht einmal, ob sie den Auftritt noch zu Ende spielt, bevor sie verglüht. Und plötzlich ist es wieder wie vor 14 Jahren.

Kampnagel hat australische Tanzcompagnie zu Gast

Kontrastprogramm eine Kampnagel-Halle weiter: eine Bühne wie eine Gefängniszelle, flankiert von einer Stahlwand. Ein Tänzer richtet den Blick nach oben, die Kamera überträgt sein von Furcht gezeichnetes Gesicht. Dann folgt ein Dialog mit unsichtbarem Gegner. Tränengas wird versprüht. „Ich kriege keine Luft mehr“, stößt er aus, als er mit dem Gesicht schon längst am Boden liegt.

Eines von vielen eindringlichen Bildern, die die australische Tanzcompagnie Marrugeku in ihrer Performance „Jurrungu Ngan-Ga/Straight Talk“ zu einem tänzerisch-performativen Tableau aus Widerstand und Selbstbehauptung arrangiert. Nach dem Berliner „Tanz im August“ ist die Produktion nun beim Internationalen Sommerfestival angekommen.

Der Abend, choreografiert von Dalisa Pigram und dem Ensemble und inszeniert von Rachael Swain, erzählt von Polizeigewalt in Australien, die sich insbesondere gegen Communitys der indigenen Bevölkerungen aber auch gegen Geflüchtete richtet, die auf den vorgelagerten Inseln Nauru und Manaus unter erbärmlichen Bedingungen interniert werden. Auf der Bühne sind es die Inhaftierten, die die Ansagen machen. In einem Szenen-Kaleidoskop thematisieren sie den Widerstand gegen Gewalt, koloniale Praktiken und Rassismus.

Ein hochpolitischer Abend auf Kampnagel

Das wunderbare Ensemble aus neun Tänzerinnen und Tänzern arbeitet dabei zu wummernden Elektronik-Klängen mit Elementen des Krumping, Voguing, Dabke und sehr dynamischen Bewegungen des Urban Dance. Die von Abdul-Rahman Abdullah gestalteten Stahlwand fungiert mal als Projektionsfläche, mal rahmt sie die Bühne ein, auf die sich eine Reihe Kronleuchter herabsenken. Immer wieder werden die dynamischen Szenen abgelöst von eindringlichen Soli. Bei Macon Escobal Riley wird das Aufbegehren körperlich geradezu schmerzhaft spürbar.

Bhenji Ra beschwört die Besessenheit der Wärter mit ihrer Transidentität, durchbricht die Gefängnisarchitektur und tanzt buchstäblich auf dem Tisch. Die Anrufung der Namen der in Polizeigewahrsam Gestorbenen gibt ihnen ein Gesicht. Bis auf einen recht schwachen Hip-Hop-Song balanciert dieser hochpolitische Abend bei aller Dringlichkeit gekonnt zwischen Ab­straktion und realistischer Andeutung. Sehenswert.

Marrugeku: „Jurrungu Ngan-Ga/Straight Talk“ weitere Termine: 19./20.8., jeweils 20.30, Tickets: kampnagel.de