Hamburg. Der Gute-Laune-Popper begeistert sein Publikum auf der Trabrennbahn Bahrenfeld – leistet sich aber einen echten Fremdschammoment.

Wenn man im halbwegs geschmackssicheren Freundeskreis erzählt, dass man zum Konzert von Mark Forster auf der Bahrenfelder Trabrennbahn geht, dann erntet man eine Mischung aus Mitleid und nackter Verachtung. Denn: Forster, geboren 1983 als Marek Cwiertnia in der pfälzischen Provinz, ist nicht cool. Ein Gesicht des Privatfernsehens, verbandelt mit diversen Castingshows, Lebenspartner des ESC-Sternchens Lena Meyer-Landrut. Der ist nicht nur nicht cool, der ist der Inbegriff der Uncoolness. „Du Armer, du musst zu Mark Forster!“

Mark Foster begeistert Publikum auf der Trabrennbahn

Dabei ist man einfach nicht die Zielgruppe. Die besteht nämlich zur einen Hälfte aus Familien mit präpubertären Kindern und zur anderen aus Paaren mittleren Alters. Und die sind begeistert vom Auftritt – was einerseits damit zu tun hat, dass die Songs zwar nicht besonders originell sind, dabei aber tatsächlich gut. Mal ein bisschen Schmusepop, mal ein bisschen Rap, mal zaghaft elektronisch, mal ungewohnt rockend.

„Leichtsinn“ wird in einer minimalistischen Version dargeboten, mit pochenden Beats, Piano und prominent in den Vordergrund gemischtem Bass, so etwas bekommt eine über alle Geschmacksfragen erhabene Band wie die britischen Hipsterlieblinge The XX auch nicht besser hin. Der Hit „Flash mich“ wird zum gutgelaunten Punkpop, „194 Länder“ traut sich einen Schlenker zum Afrobeat, und bei „Übermorgen“ steht die zehnköpfige Band ums Klavier, einer singt, einer spielt Trompete, alle tanzen. Das hat leichthändigen Charme, eine Intimität, die bei einem Arenakonzert überrascht.

Mark Forster ist Gegenteil eines abgehobenen Stars

Die Qualität der Songs ist also das eine. Das andere: Forster ist das Gegenteil eines abgehobenen Stars. Ausgeleiertes Shirt, Brille mit breiter Fassung, Baseballkappe, ordentlich gestutzter, dabei aber trotzdem nicht biederer Bart – der sieht aus, als ob man ihn gerade aus einem halbwegs hippen Café in der Schanze weggecastet hätte, das ist einer von uns. Der sich nahbar gibt, statt den abgezockten Entertainer zu machen, im Wortsinne. Einen Song singt er im Publikum stehend, der Popstar von nebenan. Dieses Unglamouröse macht Forster ein wenig langweilig, aber man versteht, weswegen die Fans ihn mögen.

Zumal er auch eigene Schwächen charmant weglächelt. Als er sein „Orchesterchen“ vorstellt, kündigt er alle Bandmitglieder nacheinander als „attraktivsten und intelligentesten Musiker, der heute auf der Bühne steht“ an. Das ist zweimal lustig, aber es folgen noch acht weitere Attraktivitäts- und Intelligenzbestien, und dass der Witz dann bemüht wirkt, merkt auch der Witzemacher. Und als er mit der Zuschauerin Sabine (42) ins Gespräch geht, um dann ihren daheim in Quickborn gebliebenen Mann Mike anzurufen, funktioniert das nur so mittelgut, weil sich Mike als ziemlich maulfaul entpuppt. Egal, shit happens, Lächeln, nächster Song. „Egal, was kommt, es wird gut, sowieso“, jubelt es in „Sowieso“.

"Wir könnten unsere Liebe bündeln"

Nur einmal gerät diese Gute-Laune-Maschinerie ins Stocken, als es um den Ernst des Lebens geht. „Es wäre weird, nicht zu erwähnen, dass gerade ein Krieg in Europa tobt“, meint Forster, und der lässt sich nicht mehr guten Gewissens wegsummen. Oder? „Vielleicht gibt es etwas, das wir alle zusammen tun können: Wir könnten unsere Liebe bündeln, und vielleicht kommt sie so am Ende der Welt wieder raus!“ Dann spielt er „Liebe“, und man hofft, dass gerade keine Ukrainer zuhören.

Aber tatsächlich ist das der einzige Fremdschammoment des Abends. Ansonsten: Pop. Konfettikanonen. Feuerwerk. Kurz vor Schluss dann noch „Chöre“, Forster: „Und die Chöre singen für dich“. Und das Publikum: „Oooo-o-oo-o-ooooo!“, minutenlang.