Hamburg. Der Pianist zeigte bei seinem Konzert in Hamburg, warum er künstlerisch in der Champions League zu Hause ist. Eine Kritik.
Es sei schon sehr lange her, dass er zuletzt in Hamburg gespielt habe, sagt Kenny Barron, nachdem er sich im Großen Saal der Elbphilharmonie an den Steinway gesetzt hat. Vermutlich war es Anfang der Achtziger, vermutlich in der Fabrik – ganz genau weiß es nicht einmal Barron selbst.
Aber irgendwie passt das auch, denn diese Größe am Piano ist selten als solche wahrgenommen worden, spielte, was die internationale Aufmerksamkeit angeht, meist in der Zweiten Liga, obwohl er doch künstlerisch in der Champions League zu Hause ist, wie er an diesem Mittwochabend einmal mehr zeigt.
Kenny Barron lässt in der Elbphilharmonie den Stress des Tages abfallen
Mit dem Standard „Like Someone In Love“ geht es los und sofort fällt der Stress des Tages ab. Dieser butterweiche Bass von Peter Washington, diese dezenten Beckenschläge von Justin Faulkner (der auch in der Band von Branford Marsalis spielt): Es ist ein Traum. Dazu die sich abwechselnden Leads von Kenny Barron und Saxofonist Jessie Davis – schöner wird’s nicht.
Oder doch? „Spring Can Really Hang You Up The Most“, solo am Flügel gespielt, ist jedenfalls auch so ein Schwelger, und mit Thelonious Monks „Well, You Needn’t“ ist endgültig klar, woher Kenny Barron kommt und wohin die Reise mit ihm geht: zu den Klassikern des Modern Jazz, in ein Land vor unserer Zeit.
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Wenn er „Day Dream“ von Billy Strayhorn ankündigt, eine Nummer, mit der schon Dizzy Gillespie glänzte, und Jessie Davis seine Lines bläst, dann fühlt man sich in die Jazzclubs der Fünfziger und Sechziger versetzt, in ein pulsierendes New York mit seinen legendären, rauchgeschwängerten Clubs und endlosen Jamsessions.
Auch von Barron selbst geschriebene Stücke wie „I Mean You“ fügen sich da nahtlos ein. Und wenn er schließlich auf seine karibischen Einflüsse zu sprechen kommt, dann sind die folgenden Grooves so tanzbar, dass man am liebsten aufspringen und sich im Takt wiegen möchte.
Als Zugabe dann ein Blues, den Barron, so erzählt er, von einem Eiswürfellieferanten gelernt hat, der sich regelmäßig bei ihm zu Hause ans Klavier setzte. Großer Jubel im Saal und die Hoffnung, dass es nicht wieder eine Ewigkeit dauert, bis Kenny Barron nach Hamburg kommt.