Hamburg. Die Jazzlegende spielt mal ziemlich funky, mal etwas langatmig. Was auch an einem besonderen Gerät lag, das zum Einsatz kam.
Für manche Kartenkäufer kommt der erste Glücksmoment schon deutlich vor Konzertbeginn: Die sichtbehinderten Günstigplätze, für die sie ein Ticket erstanden haben, gibt es nicht mehr, es wird großzügig umplatziert. Positiver Nebeneffekt: Das Areal vor der Freilichtbühne im Stadtpark wirkt gut gefüllt, auch wenn der Kartenvorverkauf – wie so häufig in diesen Tagen – nicht ganz den Erwartungen entspricht.
Und das, obwohl hier, an diesem lauen Sommerabend, eine Legende des Jazz zu besichtigen ist: Herbie Hancock, 82 Jahre alt, aber unverwüstlich. Ein Mann, der mit Miles Davis und in zahlreichen eigenen Formationen Klassiker en masse aufgenommen hat, der bei Blue Note veröffentlichte, zu den Wegbereitern des Fusion Jazz zählt und es 1983 mit „Rockit“ sogar auf Platz sechs der deutschen Single-Charts schaffte.
Herbie Hancock spielt in Hamburg mit großartiger Band
Entspannt lächelnd steht er auf der Bühne, begrüßt freundlich ein paar Zuspätkommer und legt dann mit einer knapp halbstündigen Ouvertüre los, die mit knackigen Funk-Vibes einerseits und eher sphärischen Fusion-Sounds andererseits das Spektrum absteckt. Wie beim letzten Besuch vor zweieinhalb Jahren (damals in der Elbphilharmonie) wird schnell klar, welch großartige Musiker Hancock mit James Genus (Bass), Lionel Loueke (Gitarre) und Justin Tyson (Schlagzeug) in seiner Band hat. Absolute Könner, die man vermutlich nachts um drei wecken und auf eine Bühne stellen könnte – sie wären immer noch eine fabelhafte Groovemaschine.
Und Hancock selbst? Schon erstaunlich, wie fingerfertig er auch im hohen Alter noch ist, und wie begeisterungsfähig. Immer wieder scheint es, als verliere er sich geradezu in seinem Spiel, als vergesse er die Zeit, gehe völlig auf im Fluss der Piano- und Keyboardläufe. Das funktioniert bei einer Nummer wie Wayne Shorters „Footprints“ gut und passt auch zu „Actual Proof“ vom 1974er-Album „Thrust“, doch manchmal, das muss man leider sagen, wäre weniger mehr.
Herbie Hancock nutzt einen Vocoder – leider
Etwa bei „Come Running To Me“, eine Nummer mit Vocoder-Einsatz, die direkt in „Sunlight“ übergeht. Der Vocoder, ein Gerät, mit dem Gesang modifiziert werden kann, sei der Vorläufer der Auto-Tune-Software, erklärt Herbie Hancock. Das stimmt leider. So wie Auto-Tune alles gleich klingen lässt und mangelnde stimmliche Fähigkeiten übertüncht, so war (und ist!) auch der Vocodereinsatz vor allem eines: nervig.
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Zumal, wenn der vermeintliche Klangspaß so sehr in die Länge gezogen und das Tempo ohne Not verschleppt wird. Nur gut, dass der Meister dann noch „Cantaloupe Island“ im Köcher hat, diese Gute-Laune-Nummer, einst von der britischen Jazz-Rap-Truppe Us3 gesamplet und zum Hit gemacht. Jetzt herrscht tatsächlich Partystimmung und wird noch eine Zugabe erklatscht. Gedränge vor der Bühne, Erinnerungsfotos. Zufriedene Gesichter ringsherum.