Hamburg. Der Brite trat im Stadtpark auf, schwärmte aber von der Fabrik. Die Laune ließ er sich nicht verderben – doch da wäre noch mehr gegangen.

Für Joe Jackson ist das bestuhlte Halbrund vor der Freilichtbühne im Stadtpark offenbar ein merkwürdiger Anblick. „Ich bin es nicht gewohnt, Bäume anzusingen“, bekennt der britische Musiker und schwärmt von der Fabrik, wo er vor einigen Jahren ein legendäres Konzert abgeliefert hat. Seine Laune lässt er sich aber weder davon noch von vereinzelten Regenschauern verderben.

„Machen wir das Beste draus“, sagt er fröhlich. Es wird ein konzentrierter Abend: Das straffe 90-Minuten-Set ist noch vor 21 Uhr beendet. Dazwischen aber legt der 67-Jährige elegant im lilafarbenen Anzug und drahtig-agil wie eh und je an den Keyboards mit seinen drei Begleitmusikern eine schöne Dramaturgie hin.

Konzert Hamburg: Joe Jackson führt durch Karriere im Stadtpark

Erst erklingen mit „Big Black Cloud“, „Fabulously Absolute“ und „Dave“ drei Songs aus dem sehr passablen Spätwerk „Fool“ (2019). Wenn er um Rettung vor der großen schwarzen Wolke bittet und seine Musiker in den Background-Chor einstimmen, ist man gleich im Jackson-Universum. Da will jemand eigentlich nur den Rasen mähen, aber eine Kette von Widrigkeiten droht, ihn daran zu hindern. Den Titelsong „Fool“ präsentiert Jackson lustvoll mitsamt einer schmissigen Calypso-Passage.

Dann folgen mit „One More Time“, „Sunday Papers“ und „Look Sharp!” samt fetziger Jazz-Akkorde drei Songs aus dem gleichnamigen frühen Hit-Album. Jackson ist gut aufgelegt, plaudert über Shakespeare und warum die Harlekin-Figur ihm die liebste sei – der Klugheit wegen. Sein Spiel ist gewohnt virtuos, mal bedient er sich bei Ska-Rhythmen, mal verliert er sich in Jazz-Improvisationen.

Joe Jacksons Hassliebe zu ABBA-Song

Der Brite liefert eine stimmige Reise durch sämtliche Perioden seiner Karriere ab. Von dem melodischen Rock-Jazz in „It’s Diffferent For Girls“ und „I’m The Man“ aus dem gleichnamigen Debüt von 1979 bis zu dem eher epischen und auch etwas langatmigen „Blaze Of Glory“. Schon 1982 hatte Jackson in seinem Song „Real Men“ Gender-Stereotypen hinterfragt. Der erklingt hier nur am Keyboard begleitet, gefolgt von dem traurigen „Solo (So Low)“, das treffend die Lockdown-Einsamkeit vieler Menschen beschreibt.

Er spiele jeden Abend eine andere Coverversion, sagt Jackson. Bei diesem Song heute wisse er nicht so recht, ob er ihn liebe oder hasse. Tatsächlich ist sein Arrangement von ABBAs „Knowing Me, Knowing You“ eine zugleich kunstvoll verlangsamte und herrlich expressive Piano-Ballade – natürlich mit viel Pathos. Das Publikum dankt ihm seinen Mut zur musikalischen Grenzüberschreitung und lässt sich anlässlich der Tony-Bennett-Nummer „Sing You Sinners“ sogar zu Mitsingchören hinreißen. „Live-Musik ist wichtig!“, ruft Joe Jackson, auf das Pandemie bedingte Schlingern der Branche verweisend.

Den zeitlos euphorischen Rhythmen der Zugabe „You Can’t Get What You Want (Till You Know What You Want)” kann sich niemand entziehen. Die Stimmung kocht hoch, da folgt mit „Steppin‘ Out“ schon der Rausschmeißer. Höflich verbeugt sich Jackson, nimmt die Ovationen entgegen und verschwindet lange vor der Dunkelheit. Da wäre noch mehr gegangen.