Jüngster Film startet mit deutlicher Verspätung und ist nur traurige Altherren-Fantasie. Das wurde aus dem ehemaligen Star-Regisseur.
Am Ende kommt der Tod. Er kommt in Gestalt von Christoph Waltz, aber im Kostüm wie in Ingmar Bergmans Filmklassiker „Das siebte Siegel“. Und er kommt nicht etwa, um den Protagonisten ins Reich der Toten zu holen. Nein, er gibt ihm sogar Tipps, wie man länger am Leben bleibt. Was dieser schnöde zurückweist: Als Hypochonder kennt er alle Ratschläge und beherzigt sie schon längst.
Das ist eigentlich einer jener schrägen, schwarzhumorigen Gags, für die Woody Allen einmal berühmt war. Doch die Szene wirkt seltsam müde, uninspiriert, nicht auf den Punkt. Was für den ganzen Film gilt. „Rifkin’s Festival“, der am Donnerstag ins Kino kommt, hat eigentlich alles, was einen klassischen Allen-Film ausmacht. Wieder geht es um einen neurotischen Intellektuellen aus New York, der einem Psychiater sein Leid klagt. Wieder geht es um Liebes- und Lebens-Irrungen und -Wirrungen. Der Film spielt sogar in der Welt des Films. Mit Filmklassikerzitaten. Aber was früher so leicht gelang, wirkt routiniert – und erstaunlich unlustig.
Kino: „Rifkin’s Festival“ 49. Film von Woody Allen
Ganz klar steckt nicht nur sein Protagonist, sondern auch Alt-Meister Allen in der Krise. Die alten, aber erneut gegen ihn aufgebrachten Missbrauchsvorwürfe seiner Ex-Frau Mia Farrow und seiner Adoptivtochter Dylan Farrow hat er zwar in seiner Autobiografie „Ganz nebenbei“ vor zwei Jahren mit Gegenvorwürfen pariert. Doch sein Stern ist in den USA gesunken. Standen früher die Stars Schlange, um selbst kleinste Rollen in seinen Filmen zu erlangen, haben die Darsteller seines letzten Werks „A Rainy Day in New York“ (2019) ihre Gagen aus Scham gespendet. Und jegliche Pressearbeit zum Film verweigert.
Woody Allen aber ficht das nicht an. Er tat 2020, was er immer tut. Den nächsten Film drehen. Der mittlerweile 49. beginnt, wie immer bei Allen, mit einem Jazz-Standard im Vorspann. Sein Titel aber lässt aufhorchen: „Wrap your troubles in dreams and dream all your troubles away“. Also: Pack deine Probleme in Träume und träum deine Probleme weg. Genau das ist das Programm von „Rifkin’s Festival“.
„Rifkin’s Festival“: Besetzung aus der zweiten Reihe
Er ist ein Paria in den USA? Dann dreht Allen halt wieder im Ausland. Hat er ja schon öfter gemacht: 2008 mit „Vicky Cristina Barcelona“, 2011 in „Midnight In Paris“ und 2012 in „To Rome With Love“. Und die ganz großen Stars wollen nicht mehr? Nimmt man halt die aus der zweiten Reihe wie Gina Gershon, Wallace Shawn – oder Christoph Waltz, dessen Karriere in Hollywood etwas versandet.
Gedreht wurde in San Sebastián, der baskischen Küstenstadt, die auch für ihr Filmfestival bekannt ist. Und das spielt nicht nur eine zentrale Rolle, dort durfte auch gedreht werden. Allen hat daraus aber erstaunlich wenig gemacht. Er zeigt nur ein paar Postkartenbilder. Als habe er sich für die Kulisse gar nicht interessiert.
Hauptrolle ist Allens Alter Ego
So geht es auch seiner Hauptfigur Mort Rifkin (Wallace Shawn). Allens Alter Ego – eine Rolle, die er früher noch selber gespielt hätte – ist ein angejahrter Filmprofessor mit höheren Ambitionen, der einen Roman schreiben will, aber zwischen Schreibblockade und Zynismus stecken bleibt. Zur Ablenkung begleitet er seine deutlich jüngere Frau Sue (Gina Gershon) nach San Sebastián. Die Film-PR-Agentin betreut auf dem Festival den angesagten Regisseur Philippe (Louis Garrel). Rifkin begleitet seine Frau auch, weil er fürchtet, sie habe was mit dem Jung-Genie.
Was ihn freilich nicht davon abhält, sich in die schöne spanische Ärztin Jo (Elena Anaya) zu vergucken und sich immer neue Wehwehchen auszudenken, um sie aufzusuchen. Worüber er ständig seine Frau und das Festival vergisst. Und wenn er dann doch mal dort aufkreuzt, findet er nur verächtliche Worte über das heutige Kino.
„Rifkin’s Festival“: Eine Altherrenfantasie
Wie im Gegenzug dazu imaginiert sich Rifkin die alten, echten Filmklassiker, über die er bei seinen Studenten doziert. In schwarz-weißen Visionen sieht er sich selbst in nachgestellten Szenen von Truffauts „Jules und Jim“, Godards „Außer Atem“ oder eben Bergman. Es ist Allens Verbeugung vor dem großen, europäischen Autorenkino. Aber was etwa bei „Stardust Memories“ (vor 42 Jahren!) noch wunderbar aufging, die Vermischung von Realität und Traum, steht hier erratisch nebeneinander. Rifkins Zorn über das unambitionierte Kino von heute – es müsste auch diesen Film treffen.
Das stimmt traurig. Denn Woody Allen hat einst selbst Klassiker gedreht wie „Manhattan“ oder „Der Stadtneurotiker“, begnügt sich heute aber mit Fingerübungen, von denen man immer hofft, dass sie nur „Zwischenfilme“ sind, auch wenn ihnen immer seltener gute oder gar bessere Filme folgen. „Rifkin’s Festival“ wird als romantische Komödie beworben. Doch der Film ist weder komisch noch romantisch. Im Gegenteil. Rifkins Zudringlichkeit wirkt eher unangenehm aufdringlich und übergriffig. Eine Altherrenfantasie.
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Seine Premiere hatte der Film, das kann nicht überraschen, 2020 in San Sebastián. Er durfte das Festival sogar eröffnen. Auch wenn Allen nicht mal anreiste. Bei uns startet „Rifkin’s Festival“ mit fast zweijähriger Verspätung. Das lag auch an Corona, vor allem aber an der HBO-Doku „Allen vs. Farrow“, die im Februar 2021 ausgestrahlt wurde. Allen steht weiter im Kreuzfeuer, will aber auch mit 86 Jahren nicht aufhören. Ein nächstes Projekt ist im Plan, es soll wieder in Paris spielen. Ziel ist wohl das Gleiche: Dreh deine Probleme weg.
„Rifkin’s Festival“ läuft im Passage, Zeise