Hamburg. Am Ende wurden die Monica-Bleibtreu-Preise verliehen. Für das nächste Jahr fehlen dem Festival allerdings noch 500.000 Euro vom Bund.

Wenn bei einer Gala mehrmals spitze Schreie und ein lautes „Ja!“ aus dem Dunkel des Saals dröhnen, muss die Freude groß sein. So geschehen bei der Gala zum Abschluss der zehnten bundesweiten Privattheatertage (PTT) in den Kammerspielen. Das Festival endete mit der Verleihung der wie immer undotierten Monica-Bleibtreu-Preise. Und wie in der Vergangenheit ging es nicht um den großen Ruhm, sondern um die Ehre. Um Wertschätzung für engagierte Bühnenarbeit sowie um die bewusste Wahrnehmung von Fachjurys und geneigtem Publikum.

Eine Hamburger Produktion hatte es unter den 122 Bewerbungen dieses Jahr nicht in die Auswahl der zwölf nominierten Stücke in den drei Kategorien (Moderner) Klassiker, Komödie und (Zeitgenössisches) Drama geschafft. Umso mehr konnten die Gäste aus München jubeln. Schauspieler Michael A. Grimm hatte es wegen Drehverpflichtungen in Köln besonders eilig und musste die Gala vorzeitig verlassen, um seinen Zug zu erwischen. Im Handgepäck hatte er den Preis für die beste Komödie dank seines überzeugenden Spiels in Patrick Süskinds Dauerbrenner „Der Kontrabass“: Dafür wurden der Solist, Regisseur Georg Büttel und das Hoftheater München ausgezeichnet, es steht unweit des Hofbräuhauses.

Privattheatertage: Bleibtreu setzt sich für Fortbestand ein

Kabarettist, Autor und NDR-Moderator Christian Ehring („extra 3“), als Schauspieler mit dem Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)mödchens in den Anfangsjahren der PTT selbst mal im Genre Komödie vertreten, konnte da als gewitzt-einfühlsamer Conférencier sogar noch einige neue Scherze über die Deutsche Bahn („Das Problem sind die Reisenden...“) folgen lassen. Pop-Chanteuse Annett Louisan („Das Spiel“) bereicherte die Preisverleihung musikalisch, bis mit der Kulturbühne Spagat der zweite Preisträger aus München gekürt war: Schauspielerin Lucca Züchner, Regisseur (und Ausstatter) Thorsten Krohn und Choreografin Sophie Becker erhielten für ihre Produktion „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ den Publikumspreis.

Filmstar Moritz Bleibtreu, Monica Bleibtreus Sohn, ehrte die Münchner Theatermacher für ihr berührendes Drama zum Thema Kindesmissbrauch und bekannte, dass er als Jugendlicher Theater immer „zu kopflastig“ fand. Obwohl er kein Stück der zwölftägigen PTT selbst gesehen hatte, plädierte er ebenso eindringlich für den Fortbestand des Festivals wie seine Tante, die Übersetzerin Renate Bleibtreu als Sprecherin der Jury in der Kategorie (Moderner) Klassiker. Diesen gewann mit dem Wolfgang Borchert Theater aus Münster ein schon öfter gekürter PTT-Gast, diesmal für „Der Sandmann“ nach E.T.A Hoffmann in Regie und Ausstattung der Italienerin Luisa Guarro, übersetzt von Tanja Weidner.

Privattheatertage: Weniger Besucher als vor Corona

Als bestes Stück im Genre (Zeitgenössisches) Drama erhielt die Theaterei Herrlingen aus dem kleinen Ort in Baden-Württemberg einen Monica-Bleibtreu-Preis. Eine „echte Frauenpower-Produktion“ nannte Jurorin Ildikó von Kürthy deren Bühnenadaption von „Altes Land“ nach Dörte Hansens Familienroman. Regisseurin Edith Erhardt und Ausstatterin Barbara Fumian haben ihre Fassung mit nur drei Schauspielerinnen umgesetzt,. dürften mit der Auszeichnung in Ulm und um Ulm herum umso mehr aufblühen.

Dennoch bleibt die Lage nach zwei Corona-Jahren für die privat geführten Bühnen bundesweit und die Privattheatertage selbst schwierig. PTT-Leiter Axel Schneider räumte ein, dass die Besucherzahlen noch längst nicht ans Jahr 2019 heranreichten, zitierte aber erfreut aus einigen der Hunderten von Reaktionen der Zuschauer, welche die vorgedruckten Handzettel mit dem Satz „Die Privattheatertage sind wichtig, weil ...“ ergänzt hatten.

Einen, der weiß, warum und die Privattheatertage seit 2012 überhaupt möglich gemacht hat, überraschte Schneider am Ende der Gala mit einem Sonderpreis: Rüdiger Kruse, langjähriger CDU-Bundestagsabgeordneter aus Eimsbüttel, hatte als Mitglied des Haushaltsausschusses die alljährliche Finanzierung vom Bund in Höhe von 500.000 Euro angeschoben. Er fehlt nun - wie auch das Geld für 2023 im Etat, den die Stadt Hamburg seit einigen Jahren um 50.000 Euro aufgestockt hat.

Einer etwaigen Skepsis aus Berlin ggegenüber Hamburg begegnete Kruse schon bei seiner Dankesrede auf der Bühne: „Die Berlinale erhält ja auch jedes Jahr Geld vom Bund, und dort werden nicht nur Berliner Filme gezeigt“, sagte der Ex-Abgeordnete. Schneider bleibt erst mal nur die Hoffnung auf kulturaffine Haushaltspolitiker in Berlin und dass die beteiligten Privattheater in ihren Heimatorten bei ihren Abgeordneten im Sinne des Festivals vorsprechen. Ohne dass es gleich spitze Schreie oder sogar Jubel gibt.