Hamburg. Das Polish National Ballet mit einer Adaption von Shakespeares „The Tempest“ ist ein Ereignis – obwohl einige Figuren fehlten.

Ein Baum in der Wüste. Ein geschlossenes Auge. Schließlich ein Blick auf schäumendes Meer, vor dem eine Gruppe Menschen sichtbar wird, die sich bald auf die Bühne erweitert. Die große Videoprojektion von Shoja Azari und Shirin Neshat ist zentrales, wandlungsfähiges Element in Krzysztof Pastors „The Tempest“, jenem Ballett, das er nach William Shakespeares gleichnamigem Klassiker adaptierte – zu erleben als Aufführung des Polish National Ballet in der Staatsoper bei den 47. Hamburger Ballett-Tagen.

Pastor erzählt den Stoff als Erinnerungsstück des alten Prospero. Furios tanzt Vladimir Yaroshenko den Exilanten aus Mailand. Und gleichsam als sein Alter Ego lässt Abbas Bakhtiari die iranische Daf-Trommel rasseln und sein zerfurchtes Gesicht auf der Leinwand leuchten, was dem Abend etwas Archaisch-Erhabenes verleiht.

Hamburg Ballett: Traumhafte Atmosphäre dank wundervoller Musik

Pastor hat etliche Charaktere eliminiert und konzentriert sich auf wenige Figuren auf der von Jean Kalman durch einen roten Kreis am Boden und einen kargen Baum markierten Insel. Immer wenn der Luftgeist Ariel, grazil und expressiv in langer weiter Hose und Halsschmuck getanzt von Patryk Walczak, im Kreis läuft und damit einen Sturm entfacht, kommen die Erinnerungen.

Zur traumartigen Atmosphäre trägt die wundervolle Musik, aus dem 16. und 17. Jahrhundert von Henry Purcell, Thomas Tallis und Robert Johnson bei. Das Corps de Ballet agiert in langen blauen Röcken als raue Wellen, sich biegend und wogend, dass es eine wahre Pracht ist. Diese tragen den jungen Prospero und seine Tochter Miranda an Land. Später stößt auch der Schiffbrüchige Ferdinand hinzu. Wie Prospero lebt Caliban mit einer Gruppe Eingeborener auf der Insel. Er ist, kraftvoll getanzt von Pawel Koncewoj, der Retter, der die fragile Chinara Alizade als Miranda ans sichere Land trägt und einen hingebungsvollen Pas de Deux mit ihr tanzt.

Ballett in Hamburg mit eindrucksvollen Kampfszenen

Pastor versteht sich auf eindrucksvolle Kampfszenen. Mal ringen, immer flankiert von Ariel, Caliban und Prospero um Miranda. Bald auch Prospero und der von Maksim Woitiul getanzte Schiffbrüchige Ferdinand. Mehrere Angreifer versuchen, sich mit Caliban zu verbünden. Diese dramatischen Szenen mit synchronen Sprüngen und schnellen Drehungen lösen das vorherige harmonische Fließen und Schweben eindringlich ab.

Schließlich schlägt Ariel mit Hilfe eines toll als Hunde maskierten Corps de Ballets alle Angreifer in die Flucht. Liebende finden einander. Prospero bleibt zurück. Allein mit seinen Erinnerungen. Ein wundervoll getanzter Abend voller Tiefe und Weisheit.

Hamburger Ballett-Tage bis 3.7., Staatsoper, Karten unter hamburgballett.de