Hamburg. Neo-Nazis haben vor 30 Jahren in Mölln drei Menschen getötet. Nuran David Calis stärkt in seiner Inszenierung die Opfer. Sehenswert!
30 Jahre liegt der rassistische Brandanschlag zweier Neo-Nazis in Mölln nun zurück. Drei Menschen starben: Bahide Arslan, ihre Enkelin Yeliz Arslan und ihre Nichte Ayşe Yilmaz. Neun weitere wurden schwer verletzt und traumatisiert. Anlass für den dokumentarisch arbeitenden Regisseur Nuran David Calis, seine am Schauspiel Köln entstandene Inszenierung „Mölln 92/22“ auch auf Kampnagel zu zeigen.
Eine Wohnung, aufgeteilt in mehrere Räume mit verschiebbaren Wänden (Bühne: Anne Ehrlich). Die Außenfläche wird zur Leinwand für projizierte Interviews. Das Darstellertrio aus Kristin Steffen, Stefko Hanushevsky und Ismail Deniz bringt im Erzählen und lauten Nachdenken über Formen des Erinnerns auch die eigene Biografie mit ein. Bilder und Gedanken lassen die 1990er-Jahre wiederaufleben.
Kampnagel: Inszenierung über rassistischen Anschlag in Mölln
Hier aber kommt auch die Perspektive Eingewanderter zu Gehör, die auch ihre Erfahrungen mit Rassismus teilen. Das wiedervereinigte Deutschland erschüttern fremdenfeindliche Anschläge. Neben Mölln auch in Solingen und Rostock-Lichtenhagen. Calis zeigt exemplarisch anhand der Stadt Mölln, die wohl lieber mit Till Eulenspiegel in Verbindung gebracht werden möchte, was im Argen liegt in Gegenwart: Die Formen der Gedenkveranstaltungen.
Seit 2013 nimmt die Familie nicht mehr am offiziellen Gedenken der Stadt teil, weil sie die Redner nicht selbst bestimmen durfte, sondern hält eine eigene Veranstaltung ab, die „Möllner Rede im Exil“. Das Gedenken aber gehört zuerst den Opfern, das machen Calis und sein konzentriert aufspielendes Team deutlich. Allzu oft verharrt die Perspektive auf der Täterseite, hier wird ihr Wechsel wirklich vollzogen und stärkt die Opfer.
Kampnagel: Kein Effekt stört den Minimalismus
Szenisch beschränkt sich Calis dabei auf wenige, absolut notwendige Mittel. Kein Effekt stört diesen Minimalismus. Damit schafft er maximale Authentizität. „Erinnern heißt nicht versöhnen, erinnern heißt stören“, sagt Darsteller Stefko Hanushevsky am Schluss.
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Die Notwendigkeit der weißen Mehrheitsgesellschaft, sich damit auseinanderzusetzen, in diesem sehr klug gebauten, stimmigen aber auch emotionalen Abend wird sie wirklich zwingend angemahnt. Zur Vorstellung am Freitag war auch die Familie angereist. Und es gab einen Moment des Gedenkens im Setting des Theaterstücks. Ein unbedingt sehenswerter Abend.
Nuran David Calis: „Mölln 92/22“ 25.6., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de