Hamburg. Auf seinem neuen Album „Everything Was Beautiful“ hebt J Spaceman wieder ab. Kann Pop aufgeblasener sein?

Zu den fatalsten Corona-Konzertabsagen zählte fraglos die von Jason Pierce. Im März wollte der besser als J Spaceman bekannte englische Musiker mit seiner tatsächlich legendär zu nennenden Formation Spiritualized in der Laeiszhalle auftreten. Wurde dann halt nix, aber jetzt ist endlich das neue Album da, nach mehrwöchiger Verschiebung. Dass es „Everything Was Beautiful“ gibt, ist aber ein großes Glück. Schließlich hatte der Perfektionist Pierce nach den stellenweise zermürbenden, sehr lang geratenen Aufnahmen des 2018 erschienenen Albums „And Nothing Hurt“, die vor allem finanziell ein Kraftakt waren, eigentlich das Ende von Spiritualized verkündet.

Dann kam unter anderem die Pandemie mit vielen neuen Einsichten. Mit viel Zeitkontingenten. Und es gab die Demos dieser sieben auf „Everything Was Beautiful“ (na, wer außer Casper hat Vonnegut gelesen?) versammelten Stücke, die aus den Aufnahmesessions des Vorgängerwerks stammen. Sie sind zu einem bei Jason Pierce (den man, wo wir schon bei superlativen und belobigenden Zuschreibungen sind, mit dem schönen Begriff „Genie“ titulieren möchte) seit langem etablierten epischen Sound verdichtet.

„Everything Was Beautiful“: Eine spiritualisierte Wall of Sound

Er hat seine Kunst selbst schon vor langer Zeit die Gattungsbezeichnung „Spacerock“ gegeben. Dass man spätestens seit dem vor 25 Jahren veröffentlichten Schlüsselalbum „Ladies And Gentleman, We Are Floating In Space“ allein vom Sound her (und wohl noch mehr unter Zuhilfenahme chemischer Stimulanzen) bei Spiritualized abheben kann, steht außer Frage.

Man muss die Anlage nur laut genug aufdrehen. Die spiritualisierte Wall of Sound sieht auf „Everything Was Beautiful“ so aus, dass Pierce mal wieder locker ein Dutzend Instrumente selbst einspielte, zusätzlich 30 Musikerinnen und Musiker ins Studio holte und natürlich Chorgesänge über seine Kompositionen legt.

Bluesrock, Gospel, Soul, Country, alles psychedelisch unterfüttert, das sind die Koordinaten des neuen Albums. Spiritualized, das ist die aufgeblasenste Musik des Universums, und man muss jeden Takt dieser gewaltigen, zwischen Schönklang und Kakophonie oszillierenden Kunst lieben.

Spiritualized: Ein Delirium der Bläser und Gitarren

Bei den Vorabsingles ist der Song „Crazy“ mit seinem Countryfolk der Ruhepol gewesen, und das ist er auch auf dem ganzen Album. Aber der Druck und die Energie der beiden Gassenhauer „The Mainline Song“ (hier ist alles in Bewegung) und „Best Thing You Never Had“ sind dann doch noch symptomatischer für dieses Werk.

Die Versöhnlichkeit des Titels spiegelt sich in der umarmenden Aussage des Eröffnungssongs „Always Together With You“: „If you’ll be my lonely girl, I would be a lonely boy for you“, singt Pierce mit seiner glorreich gealterten Stimme. Zusammen ist man weniger allein, und im orgiastischen Delirium all der Bläser und Gitarren reißt man sowieso Wände ein, hinter denen dann einer oder eine steht, die in den Schallwelten des J Spacemen versinkt. Bei Spiritualized ist alles beim Alten. Eine gute Nachricht.