Hamburg. Der weltberühmte Pianist spielte als Gast-Solist im Großen Saal das Klavierkonzert von Edvard Grieg – und gab vier Zugaben.
Wer runde Geburtstage feiert, kann sich so richtig was gönnen. Erst recht, wenn zwei solcher Anlässe zusammenfallen. Da darf es schon mal eine exklusive Location und ein prominenter Stargast sein. Dachte sich auch die Geschäftsführung der SAP und buchte sich die Elbphilharmonie und den Pianisten Lang Lang, um das 50. Firmenjubiläum und das 25-jährige Bestehen des eigenen Orchesters zu begehen. Was soll der Geiz.
Mit diesem Aufgebot bescherte das Softwareunternehmen – wegen seines Umgangs mit den Russland-Sanktionen kürzlich in der Kritik – nicht nur den geladenen Gästen und Betriebsangehörigen, sondern auch dem neutralen Publikum eine schicke Party. Nach der angenehm kurzen Begrüßung durch Managing Director Sven Mulder gab es zunächst ein bisschen musikalischen Pomp: mit der Jubel-Ouvertüre von Carl Maria von Weber, entstanden zum 50. Dienstjubiläum des sächsischen Kurfürsten, gespickt mit festlichen Momenten und satter Blechbläserpracht.
Konzertkritik: Lang Lang war der Chef im Ring
Schon hier demonstrierte das Sinfonieorchester unter Leitung von Ion Marin seinen seriösen Anspruch. Es vereint SAP-Mitarbeitende sowie ambitionierte Amateure und Profis aus der Rhein-Neckar-Region zu einem Klangkörper, der den selbst ernannten semiprofessionellen Ansatz deutlich übererfüllt.
Das war schon stark. Aber natürlich nur ein Warm-Up zum Hauptgig des Abends. Lang Lang, der vielleicht bekannteste Flügelflitzer der Klassik-Welt, spielte das Klavierkonzert von Edvard Grieg. Muskulös und kernig die Dreiklangskaskaden zu Beginn. Mit vollgriffigen Akkorden eroberte der bald vierzigjährige Pianist die Tastatur und die Aufmerksamkeit. Er war der Chef im Ring und gab die Richtung vor, ganz klar. Etwa, als er einzelne Töne ein kleines bisschen dehnte und das Marschthema damit etwas weicher knetete.
Lang Lang belebte Charaktere von Griegs Musik
Lang Lang zeigte, wo es lang geht. Doch er nahm seine Kolleginnen und Kollegen mit. Marin wendete sich auf dem Dirigentenpult oft zu ihm um. In engem Blick- und Hörkontakt führte er das SAP Sinfonieorchester auf die Spuren und in den Dialog mit dem Solisten, wie beim zarten Zwiegespräch mit der Flöte. Das war sehr sensibel begleitet. Und der Pianist zauberte, als er mit der rechten Hand allerzarteste Säuselsounds aus den Tasten streichelte. Ein starker Kontrast zur Solokadenz.
Dort wühlte er in den tiefen Regionen des Instruments; er schien den Flügel in ein grummelndes und brüllendes Tier zu verwandeln, bevor der langsame Satz in eine verträumte Stimmung abtauchte. Packend, wie Lang Lang die Charaktere von Griegs Musik belebte. Auch im Finale, mit seinen (Volks-)Tanzrhythmen und seiner romantischen Virtuosität. Da rasten und sprangen seine Hände über die Tasten, als wären sie von Stromstößen durchzuckt. Sehr beeindruckend, das alles, und minutenlang gefeiert. Aber zunächst noch ohne die obligatorische Zugabe.
Lang Lang gab vier Klavier-Zugaben
An dieses Ausnahmelevel reichte der zweite Teil – nach der Pause und ohne den Solisten – naturgemäß nicht heran. Schon in der Eingangsfanfare zu Schumanns Frühlingssinfonie, in Hörnern und Trompeten, waren dem Orchester die Herausforderungen anzumerken. Aber das macht nichts. Weil die Schwierigkeiten zur Randnotiz wurden. Das technische Niveau des Ensembles war so hoch, dass es die Sinfonie nicht bloß bewältigte, sondern beseelt interpretierte.
Ion Marin erkundete mit den Musikerinnen und Musikern den Aufbruchsgeist des Stücks, er formte weite Bögen und kostete die besonderen Momente aus. Wirklich magisch: der mysteriöse Posaunenchoral am Übergang vom zweiten zum dritten Satz. Das Publikum jubelt. Und erst dann, nach dem Abgang des Orchesters, schob die Stagecrew noch einmal den Flügel auf die Bühne. Lang Lang kam zurück, mit vier Stücken machte er die Zugaben zu einem eigenen Konzertteil.
Konzertkritik: Pianistisch war der Auftritt brillant
Pianistisch war das wieder absolut brillant. Geschmacklich könnte man allerdings streiten, gerade beim Finale von Bachs Goldberg-Variationen, das er herausgriff. Dort, wo das Thema des Anfangs noch einmal wiederkehrt, nahm er sich reichlich Zeit, um den Schönheiten der Musik nachzulauschen. Und davon gibt es viele.
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Das wirkte etwas überzelebriert. Und das Klavierarrangement des chinesischen Volkslieds „Jasmine Flower“, ganz am Schluss, balancierte nahe an der Kitschgrenze. Da wurde es ein bisschen süßlich. Aber was soll’s: Zum runden Geburtstag muss ja auch mal ordentlich Sahne auf die Torte.