Hamburg. US-Jazzmusikerin Jaimie Branch erntet für ihre sperrige, aber mitreißende Musik frenetischen Beifall. Das Konzert endet ungewöhnlich.

Sie muss sich erst einmal zurechtfinden. Also wandert Jaimie Branch in ihren XXXL-Klamotten über die Bühne im Kleinen Saal der Elbphilharmonie – in der einen Hand ein Mikro, in der anderen ihre Trompete – und scherzt mit dem Publikum. Ihre Band stimmt derweil die Instrumente. Mit einem zarten Beat, den Schlagzeuger Chad Taylor dem Daumenklavier entlockt, beginnt das Konzert.

„Birds Of Paradise“ heißt die Nummer, sie eröffnet auch Branchs Album „Fly Or Die II: Bird Dogs Of Paradise“. Cellist Lester St. Louis und Bassist Jason Ajemian fallen in den Rhythmus ein, Branch legt darüber ein paar schneidende Riffs auf der Trompete. Mit dem „Prayer For AmeriKKKa“ geht es weiter.

Elbphilharmonie: Jaimie Branch spielt mächtigen Blues

Die Komposition ist Klage und Anklage gleichermaßen, Branch sorgt sich um den Frieden in ihrem Land und in der Welt und beklagt den Rassismus in ihrer Heimat. Das dreifache „K“ steht für die rassistische Organisation KuKluxKlan. Sie lässt ihre Trompete heulen und grummeln und setzt auch Spoken-Word-Elemente ein. Dieses Gebet wird zu einem mächtigen Blues.

Branch, Jahrgang 1983, gehört zu den kreativen jüngeren Jazzmusikerinnen Nordamerikas. Sie ist an verschiedenen Jazz- und Avantgarde-Projekten beteiligt und führt ihr eigenes Quartett. Darin ist sie aber nur Erste unter Gleichen. Die vier Musiker entwickeln ihre Sounds gemeinsam, auf solistische Glanzleistungen wird kein Wert gelegt, Rhythmen sind wichtiger.

Das Konzert in der Elbphilharmonie fließt fast eineinhalb Stunden ohne Unterbrechungen dahin; die dynamischen Abstufungen sind groß, auf laute Passagen folgen immer wieder zarte Momente, manchmal lässt Branch die Kompositionen implodieren, um dann wieder das nächste freie Klangfeld zu betreten.

Elbphilharmonie-Publikum singt für "assholes and clowns"

Das Publikum im fast ausverkauften Saal folgt den alles andere als einfachen Kompositionen konzentriert und unterbricht den nuancierten Ablauf nicht mit Beifall. Kurz vor der ausführlichen Zugabe schafft Branch es sogar, den Saal zum Mitsingen zu animieren. Aus 500 Kehlen erklingt ein Liebeslied für „assholes and clowns“.

Auch das passiert an dieser Stelle nicht alle Tage. Der Beifall für die sperrige, aber emotional mitreißende Musik ist frenetisch. Wie schon beim John-Zorn-Festival zu erleben, nimmt in Hamburg das Interesse an Musik jenseits des Mainstreams immer mehr zu.